Die Behörden sprechen nach den massiven Ausschreitungen in Stuttgart von Samstagnacht von einer «bislang nie dagewesener Gewalt» und von einer «Herausforderung für den Rechtsstaat». Laut dem Journalisten Markus Pfalzgraf haben die Randale aber kaum politische Hintergründe, sondern sollen vor allem mit sozialen Medien und Selbstdarstellung zu tun haben.
SRF News: Laut Polizei soll die Personenkontrolle eines 17-Jährigen zu der Gewalteskalation geführt haben, offenbar ging es um einen Drogenverdacht. Weshalb führt eine einfache Personenkontrolle zu solch einer Eskalation?
Markus Pfalzgraf: Offenbar solidarisierten sich mehrere Personen mit dem Kontrollierten und wendeten sich gegen die Polizisten. Der Aufruhr eskalierte rasch, es bildeten sich sofort mehrere kleinere Gruppen von Personen, die dann randalierend durch Stuttgart gezogen sind.
Wieso die Situation am letzten Samstag derart eskaliert ist, ist unklar.
In Stuttgart kam es in letzter Zeit mehrmals vor, dass es bei Kontrollen kleinere Auseinandersetzungen mit den Polizisten gab. Wieso die Situation am letzten Samstag aber derart eskaliert ist, ist unklar – Behörden und Polizei zeigen sich schockiert. Es scheint aber, als ob es eher um Drogen und Partys geht und weniger um politische Hintergründe.
Weshalb passiert so etwas in Stuttgart? Solche Szenen kennt man allenfalls aus Hamburg oder Berlin...
Tatsächlich geht es in Stuttgart normalerweise etwas beschaulicher zu, als in den Millionenstädten. Doch man hat früher schon Proteste erlebt, etwa gegen das Bahnprojekt «Stuttgart 21». Allerdings war das eine völlig andere Klientel als diesmal.
Es scheint um Party und soziale Medien zu gehen, mit denen man sich selbstdarstellt.
Jetzt scheint es eher um Party und soziale Medien zu gehen, mit denen man sich schnell organisiert und sich selbst darstellt – so etwas kann jetzt offenbar auch in Stuttgart vorkommen.
Inwiefern haben die sozialen Medien denn zu den Krawallen beigetragen?
Das ist noch recht diffus – auch wenn es scheint, dass das Ganze ein Phänomen sozialer Medien zu sein scheint. Vielleicht überschneidet es sich jetzt mit der «Black Lives Matter»-Diskussion, denn es gab solche Kundgebungen auch in Stuttgart.
Bei Antirassismus-Protesten kam es hin und wieder zu Zusammenstössen mit der Polizei.
Auch bei diesen gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt gerichteten Protesten kam es hin und wieder zu Zusammenstössen mit der Polizei. Doch das Thema scheint am Samstag nicht im Vordergrund gestanden zu haben. Allerdings ist es möglich, dass es auch in Stuttgart bei Personenkontrollen ruppiger zugeht, wenn die Kontrollierten andere Hintergründe haben als die Polizisten selbst.
Laut Polizei kann man die Randalierer nicht politisch verordnen. Gibt es in Stuttgart keine sozialen oder politischen Brennpunkte?
Stuttgart ist eine recht wohlhabende Stadt. Klassische Brennpunkte, wie man sie aus anderen Städten kennt, gibt es im Grunde nicht. Zwar ist der Anteil an Migranten unter den Einwohnerinnen und Einwohner mit einer der höchsten Deutschlands, aber das war bislang kaum ein Problem. Stuttgart versteht sich als Stadt, in der dies auch kein Problem sein darf.
Die Stimmungsmache der rechten Parteien hat begonnen.
Allerdings gibt es auch hier Parteien – allen voran die rechte AfD – die aus den Vorkommnissen von Samstagnacht Kapital zu schlagen versuchen. Sie sprechen von einer Vermischung von Migranten-Milieus und Linksextremisten. Das scheint so wohl nicht zu stimmen, doch die Stimmungsmache hat begonnen – auch in den sozialen Medien.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.