Bisher glichen sich die beiden grossen britischen Parteien wie eineiige Zwillinge: sie teilten ihre Konfusion und Zerstrittenheit über die Ziele und die Verfahren beim komplexen Austritt aus der Europäischen Union (EU).
Die geschwächte konservative Regierung von Premierministerin Theresa May legte in den letzten zwei Wochen neue Positionspapiere vor, die in Brüssel als märchenhaft und unrealistisch angesehen werden.
Mehr Wunschdenken als Realpolitik
Dabei bleiben die Eckpunkte unverändert: Am 29. März 2019 enden die Freizügigkeit und die direkte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, am selben Tag treten die Briten folgerichtig aus dem Binnenmarkt und der Zollunion aus. Wenn es aber nach dem Willen der Tories ginge, gälten anschliessend für etwa zwei Jahre nahezu dieselben Bedingungen für den Marktzugang und den freien Handelsverkehr, aber die Auflagen, die mit einer EU-Mitgliedschaft einhergehen, wären ausser Kraft gesetzt.
Dieser eher naive Wunschzettel fand sein Gegenstück in der zwiespältigen Position der Labour-Partei. Deren Basis hatte letztes Jahr im Norden Englands und in Südwales als Mehrheitsbeschafferin für den Brexit gewirkt, in den grossen Städten aber klar für die EU votiert.
Die etwas altmodisch links gepolte Parteiführung um Jeremy Corbyn brachte der EU nur wenig Sympathien entgegen und liess jede Leidenschaft vermissen. So schälte sich eine Position heraus, die zwar die Freizügigkeit beschränken, aber dennoch die Segnungen von Binnenmarkt und Zollunion beibehalten wollte. Auch das schien mehr von Wunschdenken als von Realpolitik geprägt.
Es wird eng für den «harten» Brexit
Am Sonntag definierte nun die Labour-Partei ihre Zielvorstellungen neu: Die Übergangsbestimmungen nach 2019 sollen die derzeit gültigen Verhältnisse für mehrere Jahre unverändert fortschreiben: Die Briten verhalten sich weiter wie ein EU-Mitglied, zahlen ihre Beiträge und bleiben in Binnenmarkt und Zollunion. Während dieser Zeit sollen die neuen Handelsbeziehungen ausgehandelt werden, wobei die dauerhafte Zugehörigkeit zu Binnenmarkt und Zollunion nicht ausgeschlossen wird.
Das wäre dann der «weiche» Brexit als Kontrast zum «harten» Brexit der Tories, für den es derzeit keine Unterhausmehrheit gibt. In rund zehn Tagen beginnt das britische Parlament die Debatte über das grundsätzliche und grundlegende Austrittsgesetz.
Dann werden Nägel mit Köpfen gemacht: wohin steuert das Königreich? Labour – nunmehr endlich mit einer klaren Alternative – hofft auf abtrünnige Konservative, die dem «harten» Brexit endgültig den Garaus machen könnten.