Das internationale Genf ist seit Montag um eine Interessenvertretung reicher. Offiziell darf diese sich nur als Büro bezeichnen, denn es handelt sich um eine international nicht-anerkannte Autonomiebehörde: die Selbstverwaltung von Nord- und Ost-Syrien (Kurdisch: Rojava).
Es ist der militärische Arm dieser Selbstverwaltung, der unter hohem Blutzoll die Terrororganisation «Islamischer Staat» IS zurückgedrängt hat – und nun gegen das Wiedererstarken des IS kämpft. Gleichzeitig halten die Syrischen Demokratischen Streitkräfte SDF Tausende Männer, Frauen und Kinder aus dem zerfallenen «Kalifat» gefangen und fordern, deren Heimatländer sollen sie zurückführen.
Zudem sind im Norden Syriens türkische und mit ihr verbündete Truppen einmarschiert, halten Gebiete besetzt – die Kurden fürchten einen weiteren Vorstoss der Türkei.
Wir zählen uns zu Syrien, möchten aber auch international einen offiziellen Status erhalten.
Vor diesem Hintergrund hat die Selbstverwaltung schon länger eine diplomatische Kampagne gestartet, Büros gibt es bereits in Brüssel, Paris, London. Das Ziel: Verhandeln darüber, was aus den IS-Gefangenen werden soll und eine offizielle Anerkennung der Selbstverwaltung.
Nummer zwei der Selbstverwaltung ist Co-Vize-Vorsitzender. Badran Ciya Kurd. Am Montag sagte er in Genf, seine Behörde strebe nicht die gänzliche Autonomie an. «Wir sind hierhergekommen als autonome Region im Norden Syriens, wo wir ein föderalistisches und demokratisches Modell eingeführt haben, das für das ganze Land funktionieren könnte. Wir zählen uns zu Syrien, möchten aber als autonom anerkannt werden, auch international einen offiziellen Status erhalten. Dafür brauchen wir Unterstützung.»
Aussenpolitisch ein heisses Eisen
Ein Büro in Genf zu eröffnen sei wichtig, um internationale Kontakte zu knüpfen, so Kurd. Und auch um die Beziehungen zur Schweiz zu pflegen. Das ist aussenpolitisch ein heisses Eisen: Besonders die Türkei ist empört. Die Botschaft in Bern schreibt: «Das Büro der sogenannten Autonomen Administration von Nord und Ost-Syrien ist mit der PKK verbündet und ist terroristischer Natur.»
Die Selbstverwaltung wie auch die SDF verfolgten separatistische Ziele in Syrien. Man habe diese Meinung auch den Schweizer Behörden bereits mehrfach kundgetan, so die türkische Botschaft. Zudem teilte das türkische Aussenministerium mit, der Chargé d’Affaires der Schweizer Botschaft in Ankara sei einbestellt worden.
EDA: Büro ist Verein ohne Unterstützung
Beim Aussendepartement EDA ist man sich dieses Konflikts bewusst und hält fest, dass es sich beim Büro nicht um eine offizielle Vertretung, sondern um einen Verein nach Schweizerischem Zivilgesetzbuch handle. Dieser Verein werde vom EDA nicht unterstützt. «Die Schweiz anerkennt die territoriale Integrität Syriens. Im Rahmen ihrer Unterstützung für den UNO-Friedensprozess steht sie in Kontakt mit den verschiedenen Konfliktparteien und auch mit der syrischen Zivilgesellschaft», so das EDA weiter.
Kein Geheimnis ist, dass das EDA schon vor der Eröffnung des Büros in Genf direkte Kontakte zur kurdischen Selbstverwaltung gepflegt hatte und dass es dabei um mehr als den Friedensprozess ging: die IS-Gefangenen, darunter Schweizerinnen und Schweizer, die von den Kurden während ihres Kampfes gegen die Terrororganisation festgenommen wurden.
Die Kurden fordern von der Schweiz, wie von den anderen Herkunftsstaaten der IS-Anhänger, sie sollten zurückgeführt werden. Der Bundesrat hat dies für Erwachsene abgelehnt, prüft aber die Rückführung von Kindern.