Grüne Jacke, grüner Helm: Solihin sieht aus wie ein ganz typischer Gojek-Fahrer. Untypisch aber ist sein Motorrad: Es fährt mit Strom und Batterien. Die sind zwar gerade leer, aber Solihin tauscht sie mit wenigen Handgriffen aus. «Es ist schnell und effizient», sagt er. «Wir müssen auch nie anstehen.»
Solihin fährt Motorradtaxi für Gojek, die Super-App für alles in Indonesien. Er macht bei einem Pilotprojekt für Elektromobilität mit. Die Fahrzeuge stammen von der Firma Gogoro aus Taiwan. Die Batterien können in Jakarta an ausgewählten Tankstellen der staatlichen Ölgesellschaft Pertamina ausgetauscht werden. «Das Motorrad ist einfach instand zu halten, es ist umweltfreundlich und es ist auch billiger», sagt Solihin.
Das Pilotprojekt gehört zu den ersten im Bereich Elektromobilität in Jakarta. Die indonesische Regierung will den Sektor massiv fördern. Der Grund: Das Land besitzt ungefähr ein Viertel der weltweiten Nickelvorkommen. Nickel ist ein essenzieller Bestandteil von modernen Batterien. Präsident Joko Widodo nahm im Februar kein Blatt vor den Mund: Dieser Schatz soll Indonesien zugutekommen. «Die Kolonialzeit, während der wir immer Rohstoffe exportiert haben, ist vorbei. Wir brauchen sie nicht mehr», so der Präsident.
Joko Widodo will Indonesien zu einem führenden, globalen Standort für Elektromobilität machen. Alle essenziellen Rohmaterialien für moderne Batterien liegen auf dem Archipel unter der Erde. «Wir müssen gute Produkte herstellen, sodass andere Länder von uns abhängig sind», so der Präsident, «die Zukunft dieses Ökosystems wird gross werden in Indonesien».
Indonesien ist im Elektrofahrzeug-Fieber. Die Strategie soll dem Land auf mehreren Ebenen zugutekommen: Es will bis 2060 CO₂-neutral werden, gleichzeitig die Wirtschaft entwickeln und entlegene Regionen fördern. Die Regierung hat angekündigt, neue Elektroautos mit fast 5000 Franken und neue Elektromotorräder mit fast 500 Franken zu subventionieren. Den Export von rohem Nickel aus Indonesien hat die Regierung bereits verboten, weil sie die Wertschöpfung im Land behalten will. Die WTO hat dagegen Beschwerde eingelegt. Eine Entscheidung steht noch aus.
Vom Rohstoffhandel zum Elektro-Boom
Auch alteingesessene Firmen wie Bakrie & Brothers wittern ihre Chance. Das Konglomerat gibt es seit 81 Jahren und es ist bis heute hauptsächlich im Rohstoffsektor tätig. CEO Anindya Bakrie leitet den Familienbetrieb. Auch er und seine Firma wollen beim grünen Boom mitmachen.
«Es ist fast wie wenn Indonesien zum ersten Mal wirklich wichtig ist», sagt er. «Indonesien kann zum ersten Mal Teil eines globalen Ökosystems sein.» In Zusammenarbeit mit dem chinesischen Elektrofahrzeughersteller BYD will Bakrie & Brothers erst elektrische Busse zusammenbauen und dann selbst Batterien produzieren. Die 10’000 Dieselbusse im öffentlichen Verkehrssystem von Jakarta sollen bald ersetzt sein. Eine Linie ist bereits im Betrieb.
Ob Regierung, Wirtschaft oder Privatpersonen: Der Enthusiasmus ist überall spürbar – nicht aber die Umweltprobleme. Die entstehen weit weg von Java mit der Hauptstadt Jakarta und werden hauptsächlich von Menschen in der Nähe der Nickelminen auf Sulawesi und den Molukken getragen. Internationale Firmen, viele aus China, graben dort das Metall aus der Erde. Es leiden die Arbeiterinnen und Arbeiter – und die Umwelt.
Und auch wenn der Verkehr bald elektrisch sein sollte: Indonesien produziert seinen Strom zu fast 90 Prozent mit Kohle, Öl und Gas. Wenn sich dieser Mix nicht ebenfalls ändert, kann das Land seine Klimaziele kaum erreichen.
Doch diese Probleme und Fragen scheinen – zumindest im Moment – eher nebensächlich zu sein. Indonesien hat in seinen Nickelvorräten eine grosse Chance erkannt und will sie nutzen.
Elektromobilität selbst gemacht
In einem Vorort von Jakarta, am Ende einer schmalen Strasse, arbeitet Ingenieur Riharsa Adicahya in einem kleinen Werkhof. Er hat das Start-up Spora EV gegründet. «Die Indonesier brauchen das Motorrad, sie sind darauf angewiesen», sagt er. «Darum will ich mich darauf fokussieren.»
Die Firma stellt Bausätze mit Elektromotoren her, welche Mechaniker dann in die populärsten Treibstoffmodelle einbauen können. Für Motorräder, aber auch für Vans wie den Daihatsu Gran Max.
«Wir müssen zuerst die Technologie entwickeln, damit wir eine globale Kraft werden können», sagt der Ingenieur. «Das muss unsere Perspektive sein.»
Das Interesse am Umbau ist gross. Gerade hat eine Goldmine auf der Insel Halmahera 160 Pickups von Toyota elektrifizieren lassen: Benzin ist auf den östlichen, weit entfernten Inseln teuer und schwierig zu bekommen. «Einer der Aspekte dieser Elektrifizierung ist auch, dass die Regierung die Treibstoffsubventionen verringern will», so Triharsa Adicahya. «Die kosten zur Zeit 44 Milliarden Dollar pro Jahr.»
125 Millionen Benzinmotorräder
Das grosse Ziel von Triharsa Adicahya ist, ein eigenes, lokal in Indonesien gefertigtes Motorrad zu bauen – sein Kindheitstraum. «Diese elektrische Revolution ist die Chance», sagt er. Die Pläne für sein Motorrad liegen bereits in seiner Schublade. Doch zuerst will er Lösungen zum Umbau der 125 Millionen Benzinmotorräder in Indonesien entwickeln.
Zurück an der Pertamina-Tankstelle im Zentrum von Jakarta. Es ist laut, knattert und rattert, und es riecht nach Benzin. Die Schlange vor den Zapfsäulen ist lang.
«Ich unterstütze die Elektrifizierung», sagt Gojek-Fahrer Solihin. «Wir wissen nicht, wo das hingeht, es ist noch früh. Aber ich hoffe, das wird Realität.» Sagts, steigt auf sein Elektrobike und düst geräuschlos hinaus in den Abendverkehr.