- Kurz vor Weihnachten hat der russische Präsident bei mehreren Gelegenheiten den Beginn des Zweiten Weltkriegs umgedeutet.
- Polen sei mitverantwortlich für den Beginn des Krieges, sagte Putin. Denn Polens damalige politische Führung sei antisemitisch gewesen.
- Für Polen ist das eine Provokation. Das polnische Parlament hat die Aussagen des russischen Präsidenten denn auch scharf verurteilt.
Politik in Polen, das ist Grabenkampf. Regierung und Opposition stehen sich unversöhnlich gegenüber. Ausser gestern Abend: Da hat ausgerechnet Wladimir Putin die Streithähne vereint. Per Akklamation, ohne Gegenstimme, hat das polnische Parlament eine Resolution verabschiedet und die «falschen und provokativen» Aussagen des russischen Präsidenten verurteilt.
Bewirken wird die Resolution wenig. Aber sie zeigt, wie sehr der russische Präsident Polen vor den Kopf gestossen hat. Polen sei am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mitschuldig gewesen, sagte Putin mehrfach. Der russische Einmarsch in Polen gut zwei Wochen nach dem deutschen Überfall sei ein Akt sowjetischer Selbstverteidigung gewesen. Das ist in polnischen Ohren eine Beleidigung. Denn Polen sieht sich als erstes Opfer des Zweiten Weltkriegs.
Man kann Putins Versuch, Polen eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in die Schuhe zu schieben, nur als stalinistischen Revisionismus bezeichnen.
Und zwar mit gutem Grund: Hitler und Stalin hatten das Land schon unter sich aufgeteilt, bevor Nazi-Deutschland im September 1939 von Westen her Polen überfiel, und bevor die sowjetischen Truppen von Osten her einmarschierten.
Man könne Putins Versuch, Polen eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in die Schuhe zu schieben, nur als stalinistischen Revisionismus bezeichnen, sagt Polens Präsident Andrzej Duda. Und Regierungschef Mateusz Morawiecki twittert: «Putin hat schon oft gelogen, wenn es um Polen geht. Er macht das bewusst. Meistens dann, wenn der internationale Druck auf die Regierung in Moskau hoch ist.» Putins Geschichtslektion hat das sowieso schon kühle polnisch-russische Verhältnis weiter abgekühlt.
Dabei wäre 2020 – gerade aus historischen Gründen – ein guter Zeitpunkt für eine Annäherung. In gut zwei Wochen wird in Auschwitz der Befreiung des Konzentrationslagers durch die Rote Armee vor 75 Jahren gedacht.
Doch Russlands Präsident Wladimir Putin kommt nicht. Vielleicht – so genau weiss man es nicht – wurde er von den Polen auch nicht eingeladen.