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Ehemalige KZ-Sekretärin verurteilt
Aus 10 vor 10 vom 20.08.2024.
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Beihilfe zum Massenmord Oberstes Gericht Deutschlands bestätigt Urteil im letzten KZ-Fall

  • Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in Deutschland die Verurteilung einer früheren KZ-Sekretärin wegen Beihilfe zum Massenmord bestätigt.
  • Der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig verwarf die Revision gegen ein Urteil des Landgerichts Itzehoe (Schleswig-Holstein).

Das Gericht hatte die inzwischen 99-jährige Irmgard F. wegen Beihilfe zum Mord in 10’505 Fällen sowie zum versuchten Mord in 5 Fällen zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.

Diese Entscheidung ist jetzt rechtskräftig.

Der Fall gilt als das womöglich letzte Strafverfahren zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Massenmorde. Irmgard F. war zwischen Juni 1943 und April 1945 als Schreibkraft in der Kommandantur des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig (Gdansk) beschäftigt. Damals war sie 18 beziehungsweise 19 Jahre alt.

Ältere Person mit Maske in Rollstuhl sitzt drinnen.
Legende: Die damals 97-jährigen Angeklagte wurde bei den Verhandlungen vor dem Landgericht Itzehoe im Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben. Ihr wird Beihilfe zum Mord in über 10'000 Fällen im Konzentrationslager Stutthof zur Last gelegt. (8.2.22) KEYSTONE/DPA/Marcus Brandt

Durch ihre Arbeit habe die junge Frau den Verantwortlichen des Konzentrationslagers bei der systematischen Tötung von Inhaftierten Hilfe geleistet, hatte das Landgericht geurteilt. Auch unterstützende Tätigkeiten könnten rechtlich als Beihilfe zum Mord angesehen werden.

Verteidigung hatte Revision eingelegt

Die Verteidigung von Irmgard F. hatte Revision eingelegt. Der BGH hatte darüber Ende Juli mündlich verhandelt. Die Anwälte stellten unter anderem infrage, ob der Frau ein Vorsatz nachgewiesen werden kann. Es sei nicht erwiesen, dass sie wirklich wusste, was in dem Lager vor sich ging.

Zudem habe sich ihre Arbeit als Schreibkraft nicht wesentlich von ihrem vorherigen Job in einer Bank unterschieden. Sie habe aus ihrer Sicht «neutrale Handlungen» ausgeführt. Dieser Argumentation folgten die Bundesrichter nicht.

Historiker: «Dieses Urteil ist sehr wichtig»

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Axel Drecoll ist Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und Leiter der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen. Gegenüber SRF schätzt er die Entscheidung des obersten deutschen Gerichtes ein.

SRF: Wie wichtig ist dieses Urteil?

Axel Drecoll: Dieses Urteil ist aus verschiedenen Gründen sehr wichtig. Mir scheint es aber besonders wichtig zu sein als Symbol für die wenigen Überlebenden des KZ Stutthofs und für deren Angehörige.

Ist dieses Urteil eine Art späte Anerkennung des Leids für Überlebende und Angehörige?

Genau. Es gab einen Überlebenden, der in Itzehoe, der vorherigen Instanz, als Zeuge aufgetreten ist. Er sagte, und dies taten auch andere Angehörige in der Vergangenheit, es komme gar nicht so sehr auf das Strafmass an, sondern auf den Urteilsspruch. Weil das bedeutet, dass sein Leiden anerkannt werde und dass es, obwohl es sehr spät kommt, eine juristische Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen gebe.

Hätten Sie sich ein Schuldeingeständnis der Angeklagten gewünscht?

Dies hätten sich nicht nur die Angehörigen und Überlebenden gewünscht, sondern wahrscheinlich die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen – und auch ich. Das gilt auch für andere Prozesse, die in Deutschland geführt worden sind.

Der BGH bestätigte die Einschätzung des Landgerichts Itzehoe, dass Irmgard F. durch ihre Dienstbereitschaft psychische Beihilfe zu den Mordtaten geleistet hat. Über den Schreibtisch der Stenotypistin war fast die gesamte Korrespondenz des Lagers gegangen.

Mehr als 60’000 Menschen in Stutthof gestorben

Im KZ Stutthof und seinen 39 Aussenlagern waren nach Angaben des Dokumentationszentrums Arolsen Archives zwischen 1939 und 1945 etwa 110’000 Menschen aus 28 Ländern inhaftiert. Fast 65’000 überlebten nicht.

Bei der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit hatte die deutsche Justiz über Jahrzehnte nur diejenigen verfolgt, die zur Leitung der Konzentrationslager gehört oder selbst gemordet hatten oder durch besondere Grausamkeit aufgefallen waren, sogenannte Exzesstäter.

Ein Wendepunkt war der Prozess gegen den früheren Wachmann John Demjanjuk, der 2011 wegen seiner Tätigkeit im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen verurteilt wurde. Er verstarb noch vor der Entscheidung über die Revision.

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Archiv: Holocaust-Gedenktag – Ein Auschwitz-Überlebender erzählt
Aus Tagesschau vom 27.01.2021.
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SRF 4 News, 20.08.2024, 11 Uhr ; 

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