«Bernie! Bernie!», skandiert die Menge. «Ihr sendet ein sehr tiefgründiges Signal!», ruft Bernie Sanders zurück. «Die Welt schaut zu und möchte wissen, ob die Amerikaner sich gegen den Trumpismus wehren, gegen Oligarchie und Autoritarismus!»
Es ist ein Freitagabend. Eine Menschenmenge hat sich im Civic Center Park in Denver versammelt, die goldene Kuppel des Parlamentsgebäudes von Colorado ragt in den Himmel. Donald Trump und Elon Musk seien drauf und dran, die Demokratie und die Bundesbehörden zu zerstören, heisst es hier.
Pam ist etwa 100 Kilometer weit gefahren, um dabei zu sein: «Wir haben einen Präsidenten, dem wir nicht trauen», sagt sie. Und dann sei da «dieser andere Herr», der Teile des Landes demontiere. «Das ist beängstigend, es schafft ein Gefühl der Unsicherheit. Man fühlt sich isoliert und allein. Hier mit Gleichgesinnten zu reden – das hilft.»
Auch demokratische Politiker werden hier vielfach kritisiert: Sie seien überrumpelt worden vom Tempo, mit dem Trump und Musk vorgehen würden. Joyce und Kathleen, Trump-Gegnerinnen der ersten Stunde, fordern mehr Kampfgeist. «Sehen Sie sich die Leute hier an: Wir kämpfen, so gut wir können. Aber unsere Abgeordneten müssen mehr tun!»
Sanders zieht Tausende an, auch in Wahldistrikten, wo Republikaner gewählt wurden. Heute kommen über 30’000 Menschen – so viele wie nie zuvor. Sie wollen Alexandria Ocasio-Cortez sehen. Die demokratische Abgeordnete ist der junge Star des linken Parteiflügels.
Die Hauptattraktion aber ist der knorrige 83-Jährige, mit der Halbglatze und den zerzausten, weissen Haaren. Sanders ist der Übervater der linken, progressiven Bewegung. Seit vielen Jahren spricht er von der drohenden Herrschaft der Milliardäre.
Trumps Wiederwahl und Musks Einfluss scheinen Sanders recht zu geben. Und auch in der Demokratischen Partei hätten Milliardäre zu viel Einfluss, kritisiert er. Die Partei habe sich von der Arbeiterschicht abgewandt. Tatsächlich haben die Demokraten entscheidende Stammwähler an die Republikaner und Trump verloren.
Ein Sanders-Anhänger sagt, die Demokratische Partei habe die Demokratie zerstört, als sie Sanders 2016 und 2020 nicht zum Präsidentschaftskandidaten gemacht habe. «Er wäre wohl gewählt worden und Trump nie Präsident geworden. Unsere Demokratie wäre intakt und wir müssten uns nicht hier versammeln. Stattdessen könnten wir das Leben geniessen.»
Wir wurden von einer roten Welle überrollt. Darauf folgte ein Sog, der uns zurückhielt. Aber jetzt bildet sich eine Gegenwelle der einfachen Leute. Und zwar im grossen Stil.
Der Ärger an der Basis ist nicht zu übersehen, hier und anderswo. Auch in den sehr schlechten Umfragewerten der Demokratischen Partei wird er deutlich.
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Bild 1 von 2. Besondere Wut richtet sich gegen Chuck Schumer, der im Kongress für ein republikanisches Übergangsbudget stimmte, um einen Stillstand der Bundesverwaltung abzuwenden. Bildquelle: Keystone / AP / Ben Curtis.
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Bild 2 von 2. «Der grösste aller Verräter»: Viele sind von der Demokratischen Partei enttäuscht – und tragen ihren Protest auf die Strasse, wie hier in Baltimore. Bildquelle: Keystone / AP / Stepahnie Scarbrough.
Viele hier sind der Meinung, Schumer und andere kämpften nicht hart genug. Es brauche einen Wechsel an der Parteispitze, erklären drei Frauen, die sagen, sie hätten sich zu einer politischen Gruppe mit monatlichen Treffen zusammengeschlossen.
Es baue sich eine Bewegung gegen die Milliardäre auf, prophezeit Tonia, eine Partei-Unabhängige. «Wir wurden von einer roten Welle überrollt. Darauf folgte ein Sog, der uns zurückhielt. Aber jetzt bildet sich eine Gegenwelle der einfachen Leute. Und zwar im grossen Stil.» In den USA gebe es mindestens 700 Gruppen wie ihre. Und täglich würden neue Mitglieder dazukommen.
Worte, ganz nach dem Geschmack von Bernie Sanders. «Die Menschen müssen zusammenstehen gegen die reichsten im Land!», ruft er all denen zu, die ihre Hoffnung in den alten Senator aus Vermont setzen.