Zum Zustand der belarussischen Oppoisitinellen Maria Kolesnikowa gibt es auch am Tag nach ihrer Verlegung vom Gefängnis in ein Spital noch keine erhärteten Informationen. Kolesnikowas Familie und ihre politischen Mitstreiter meldeten lediglich, sie sei für eine Operation eingeliefert und danach auf die Intensivstation verlegt worden. Der Zustand der 40-Jährigen sei ernst, aber stabil, und habe sich inzwischen etwas verbessert.
Zur medizinischen Ursache liegen keine Angaben vor, wie SRF-Auslandredaktor Calum McKenzie erklärt. Kolesnikowas Anwalt sagte, sie sei zuvor im Gefängnis in Isolationshaft gewesen. Wie lange, wisse er nicht. Besuche würden ihm verweigert, obwohl er bereits seit längerem Sorge über ihren Gesundheitszustand äussere.
Maria Kolesnikowa war eines der Gesichter der Protestbewegung vor zwei Jahren gegen Machthaber Alexander Lukaschenko. Sie war gemeinsam mit Swetlana Tichanowskaia und Veronika Tsepkalo in die Bresche gesprungen, nachdem das Regime die ursprünglichen oppositionellen Kandidaten für die Präsidentenwahlen beseitigt hatte: Tichanowskaia Ehemann war ins Gefängnis gesteckt worden. Tsepkalos Mann war ins Ausland geflüchtet, und Kolesnikowa war Mitglied im Stab eines weiteren, ebenfalls inhaftierten Kandidaten.
Diese drei Frauen führten dann gemeinsam den Wahlkampf für die alternative Kandidatur von Tichanowskaia an. Bei den Wahlen kam es laut allen unabhängigen Beobachtern zu massiven Fälschungen. Für Tichanowskaia gingen während Wochen Hunderttausende auf die Strasse.
Die Anziehungskraft der Bewegung hatte auch wesentlich damit zu tun, dass dieses Frauenteam eine andersartige und sehr erfrischende Alternative zum sehr sowjetisch geprägten, konservativen und männerdominierten Regime von Lukaschenko war, wie McKenzie sagt. Kolesnikowa war nach Tichanowskaia die wohl bekannteste Figur der Bewegung.
Kolesnikowa – eine Führungsfigur, die geblieben ist
Der grösste Teil der belarussischen Opposition ist heute im ausländischen Exil. Auch Präsidentschaftskandidatin Tichanowskaia reiste aus. Seit 2020 verliessen Tausende Bürgerinnen und Bürger das Land aufgrund der radikal verschärften Repression.
Nicht so Kolesnikowa, die als eine der wenigen führenden Figuren der damaligen Proteste in Belarus blieb, um weiterzukämpfen. Mit Folgen: Im Herbst 2020 wurde sich vom Geheimdienst aus ihrer Wohnung in Minsk entführt und an die Grenze zur Ukraine gebracht, um sie zwangsweise auszuschaffen. Sie konnte fliehen und zerriss ihren Reisepass, um die Ausreise zu verunmöglichen. Darauf wurde sie vor Gericht gestellt und zu elf Jahren Haft verurteilt. Die belarussische Opposition sei heute so schlecht aufgestellt wie noch nie, sagt McKenzie.