Ganz Indien trauert um Ratan Tata, den Gentleman-Unternehmer. Premierminister Narendra Modi würdigte ihn als visionären Wirtschaftsführer und aussergewöhnlichen Menschen. Tata war einer der beliebtesten und erfolgreichsten Unternehmer Indiens. Der studierte Architekt arbeitete seit Anfang der 1960er-Jahre in verschiedenen Tata-Unternehmen, bevor er 1991 die Führung des Familienkonzerns übernahm. Diesen hatte sein Urgrossvater gegründet.
Übernahme von Jaguar/Land Rover
Die Neunzigerjahre waren die Zeit, als sich Indiens Wirtschaft gegenüber dem Ausland öffnete. Der neue Firmenchef nutzte viele Chancen, die sich ihm boten, schickte firmeninterne Widersacher in die Wüste und investierte weltweit in Firmenübernahmen und neue Geschäftsideen.
Unter Ratan Tata kaufte die Firma auch bekannte westliche Marken wie den Autoproduzenten Jaguar/Land Rover oder den Teeproduzenten Tetley. Noch heute sind viele Inderinnen und Inder stolz darauf. In seinen zwei Jahrzehnten an der Spitze machte Ratan Tata den Konzern zu einem der grössten Unternehmen Indiens und auch zu einem globalen Giganten.
Es gibt kaum etwas, das die Tata-Gruppe nicht produziert, verkauft oder betreibt: egal ob Kaffee oder Autos, Salz oder Software, Internet, Hotels oder Fluggesellschaften. Heute ist der Mischkonzern in gut hundert Ländern aktiv und beschäftigt mehr als eine Million Mitarbeitende.
Und trotzdem lief nicht immer alles wie am Schnürchen. Prominentes Beispiel ist Ratan Tatas Plan, ein billiges Kleinstauto für alle namens «Tata Nano» einzuführen. Es war eine Kombination aus Tatas Geschäfts- und Gemeinsinn. Doch das Projekt floppte.
Viel philanthropisches Engagement
Nach seinem Rückzug aus der operativen Leitung investierte Ratan Tata in Start-ups und führte die Tata-Stiftung, deren Ehrenvorsitzender er zuletzt war. Die Stiftung und auch Tata persönlich gaben viel Geld aus für Bildung, das Gesundheitssystem und die Umwelt. Es sind dies alles Bereiche, die vom indischen Staat grob vernachlässigt werden.
Auch dieses philanthropische Engagement machte Ratan Tata schon zu Lebzeiten zu einer Ikone. In einem Land, in dem die Eliten vor allem zu sich selbst schauen, vergass der Spross einer Unternehmerfamilie nie die weniger Privilegierten – weder die auf zwei noch die auf vier Beinen.
Und so war sein letztes grosses Herzensprojekt ein Tierspital im Süden Mumbais. Nicht weit davon entfernt ist Ratan Tata nun 86-jährig in einem Spital verstorben. Er war nicht verheiratet und hinterlässt keine Kinder, die sein Imperium erben könnten.