«Wollen Sie mal den Kofferraum sehen», fragt VW-Boss Martin Winterkorn brav, als die Kanzlerin einen neuen Elektro-Golf inspiziert. Es ist Internationale Automobil-Ausstellung IAA in Frankfurt – ein Wahlkampf-Heimspiel für die Kanzlerin. Soeben hat sie in Brüssel höhere CO2-Grenzwerte verhindert. Diese hätten die deutsche Auto-Industrie mit ihren vielen grossen Autos hart getroffen. Die Branche dankt es der Kanzlerin mit vielen höflichen Worten – und, so hofft Merkel, auch mit Stimmen am 22. September.
Merkel will alles sehen
Der Kofferraum also. Merkel will alles sehen, doch zuerst geht's an die Front des Wagens. Merkel öffnet die Haube, guckt ein bisschen rein in die Kabel- und Stecker-Landschaft. Mit Golf kennt sich Angela Merkel aus, nach der Wende fuhr sie auch einen, ebenfalls in weiss. Dieser Wagen, ein Golf II, wurde kürzlich auf Ebay versteigert, inklusive originaler DDR-Kennzeichen-Kombination. Generationen liegen zwischen diesen beiden Golf.
Die Automärkte schwächeln in Europa, von 17 Millionen verkauften Autos vor der Krise geht's 2013 wohl auf 12 Millionen zurück. Die deutsche Auto-Industrie floriert nur dank Fernost. Die Autobranche begrüsst Merkels Europa-Kurs – zuerst die Rosskur, dann das Wachstum. Der Süden soll schnellstmöglich wieder Geld verdienen und neue Autos kaufen. Zeit dazu wäre es. In den EU-Südländern sind die Autos neun Jahre alt und älter. Da wären ein paar kleine persönliche Innovationen nötig.
«Sechs Liter?» – «Drei!»
Innovation heisst denn auch das Zauberwort in der Branche, die Ingenieure tüfteln und kämpfen sich nach vorn. Selbstfahrende Autos, Elektromobile - vor allem aber: sparsame Autos. Das sorgt sogar bei der Kanzlerin für Überraschung: «Was glauben Sie, Frau Bundeskanzlerin, wie viel Sprit verbraucht diese neue S-Klasse», fragt Mercedes-Chef Dieter Zetsche schelmisch. Merkel zögert, sagt: «Hm. Sechs Liter?» Zetsches Gag ist aufgegangen: «Nein, drei!» frohlockt der Mann mit dem grossen weissen Schnauz. Drei Liter verbraucht für ein so grosses Auto. Das beweist viel guten Willen: Seht her, wir können auch anders. Ein prima Argument für Merkels nächste Brüssel-Reise.
Dazu passt ein weiteres geniales Feature der neuen Mercedes-S-Klasse: Sie erkennt Bodenwellen frühzeitig via Radar – und programmiert die Stossdämpfer so, dass die Passagiere nichts von den Unebenheiten merken. Das perfekte Politiker-Auto also. Schade nur, denken die Mercedes-Bosse wohl, dass die Kanzlerin dienstlich Audi fährt.