Bundespräsident Alain Berset war gestern und heute auf Staatsbesuch in Kenia. Dabei hat er sich die Flüchtlingslager rund um Kakuma im Norden des Landes angeschaut. Fast 200'000 Flüchtlinge vor allem aus dem Südsudan leben dort, zum Teil schon seit Jahren. Wie Kenia mit seinen Flüchtlingen umgeht, erntet Lob vom Bundespräsidenten. Und er unterstreicht die Wichtigkeit, dass die Schweiz diese lokalen Initiativen unterstütze.
Landepiste Kakuma, eineinhalb Flugstunden von Kenias Hauptstadt Nairobi entfernt. Bei satten 30 Grad heisst eine Gruppe von Flüchtlingen aus dem Südsudan Bundespräsident Alain Berset mit einem spektakulären Tanz willkommen. Es ist 18 Jahre her, seit ein ausländisches Staatsoberhaupt sich in den trockenen, dünnbesiedelten Norden Kenias, nach Kakuma, begab. Ein paar Fotos, Händeschütteln, ab ins Auto.
Die 13 Autos lange Karavane setzt sich in Bewegung und stoppt bei einer Flüchtlingsfamilie. In einem winzigen Raum in einem kleinen Häuschen aus Stein heisst eine junge Frau aus dem Südsudan die Besucher willkommen. Unter Blitzlicht gibt Agnes Aketo Edward dem Bundespräsidenten Auskunft über ihr Leben als Flüchtling in Kenia. Agnes ist eine von über 100'000 Südsudanesinnen und Südsudanesen, die vor dem Krieg in ihrer Heimat flohen und in Kakuma Unterschlupf fanden.
Fast ausschliesslich in Flüchtlingslagern beherbergt Kenia über eine halbe Million Flüchtlinge. Dafür findet der Schweizer Bundespräsident lobende Worte: «Kenia ist kein reiches Land. Trotzdem ist das Land sehr offen für Flüchtlinge und hilft ihnen.» Für diese grosse Leistung könne man ihnen nur danken. «Wenn es hier keinen Platz für diese Menschen gäbe – wo würden sie sonst hingehen?»
Die Schweiz versuche diese lokalen Bemühungen zu unterstützen, sagt Berset. So finanziert die Schweiz ein Ausbildungsprogramm in Kakuma. Zum Beispiel zur Schneiderin. An einer Nähmaschine sitzt eine junge Frau, welche Taschen näht. Damit Flüchtlinge nicht nur in Lagern herumsitzen, sollen sie so eine Ausbildung erhalten. Fähigkeiten, welche sie in der lokalen Wirtschaft im Gastland einsetzen können. Und welche sie mitnehmen können, wenn sie wieder in ihre Heimatländer zurückkehren.
Doch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA, welche das Projekt in Kakuma initiiert hat, gerät in der Schweiz immer wieder unter Beschuss. Aussenminister Ignazio Cassis verglich die DEZA wegen ihrer Grösse jüngst mit einer Armee, bürgerliche Politiker fordern schon lange, die Entwicklungshilfegelder zu kürzen.
Wenn Flüchtlingen vor Ort geholfen wird, findet dies dann auch nicht nur Zustimmung. Man sollte kohärent bleiben.
Bundespräsident Alain Berset überzeugt deren Argumentation nicht: «Ab und zu hört man, es sollte in der Schweiz für die Flüchtlinge nichts getan werden, weil man ihnen vor Ort helfen soll. Und wenn ihnen vor Ort geholfen wird, findet dies dann auch nicht nur Zustimmung. Man sollte kohärent bleiben.»
Als letzte Station führt der Staatsbesuch in eine lokale Schule in Kakuma. 250 Schülerinnen und Schüler sitzen dichtgedrängt im Klassenzimmer. Und applaudieren dem hohen Besuch zur Ankunft. Bundespräsident Berset übernimmt denn auch gleich den Französischunterricht.
Nach 5 Stunden in und um die Flüchtlingslager hat der Bundespräsident genug gesehen: «Das, was wir hier tun, ist nicht nur zu Gunsten der Leute, die hier leben, sondern auch von uns in der Schweiz. Es sei wichtig, gute Lösungen vor Ort zu finden. «Ausserdem verhindert es vielleicht auch weitere Migrationsströmungen», sagt Berset. Eine Debatte, die schliesslich nicht nur die Schweiz, sondern auch Europa beschäftigt.