- «Der Spiegel» deckt einen Betrugsfall im eigenen Haus auf: Redaktor Claas Relotius habe in «grossem Umfang seine eigenen Geschichten gefälscht und Protagonisten erfunden».
- Relotius hat die Vorwürfe laut «Spiegel» eingeräumt.
- Der Journalist schrieb auch für die Schweizer Medien «Weltwoche», «NZZ am Sonntag» und «Reportagen».
Claas Relotius ist ein mehrfach preisgekrönter Journalist. Er wurde mit dem deutschen Reporter-Preis, dem Peter-Scholl-Latour-Preis oder dem CNN-Award ausgezeichnet. Der Journalist schrieb für Medien mit Rang und Namen: für «Cicero», «Financial Times Deutschland» oder für «Zeit online». Auch das Schweizer Magazin «Reportagen» hat Relotius' Geschichten gedruckt.
«Er ist ein hochanständiger Hamburger, alte Schule, der perfekte Schwiegersohn, ein glatter Typ», sagt «Reportagen»-Chefredaktor Daniel Puntas zu SRF News. «Einer, mit dem man sich auch gerne austauscht.» Puntas erklärt sich das Täuschungsmanöver mit dem grossen Druck, dem die Journalisten generell ausgesetzt seien. «Die Journalisten meinen, sie müssten noch einen draufsetzen. Noch die bessere Story schreiben, noch die bessere Headline liefern. Sie erliegen der Versuchung.»
Auch bei der «NZZ am Sonntag» zeigt man sich überrascht. «Zwischen 2012 und 2014 haben wir sechs Texte des Autors publiziert. Wir prüfen derzeit, ob und inwiefern sie Falschinformationen enthalten haben», schreibt Chefredaktor Luzi Bernet auf Twitter.
14 Geschichten betroffen
Der 33-jährige Relotius scheiterte schliesslich an der Spiegel-Reportage «Jägers Grenze» über eine Bürgerwehr an der US-Grenze. Co-Autor Juan Moreno schlug Alarm. Der Reporterkollege sei misstrauisch geworden und habe Bedenken geäussert, schreibt der «Spiegel». Ihm sei es gelungen, Material gegen den Kollegen zu sammeln.
Nach anfänglichem Leugnen habe der Journalist eingeräumt, dass er viele Passagen nicht nur im Text «Jägers Grenze», sondern auch in anderen erfunden habe. Der Journalist gab zu, Geschichten erfunden oder Fakten verzerrt zu haben.
Relotius' eigenen Angaben zufolge sind beim «Spiegel» mindestens 14 Geschichten betroffen und zumindest in Teilen gefälscht. Auch sei er Protagonisten, die er in seinen Storys zitiert habe, nicht begegnet.
«Publizistische Krise»
«Das ist die vielleicht schwerste publizistische Krise beim ‹Spiegel›», erklärte die neue Chefredaktion um Steffen Klusmann. «Es sind alle erschüttert. Das trifft ins Mark», sagte der Geschäftsführer.
Der Chefredaktor warnte davor, alle «Spiegel»-Mitarbeiter unter einen Generalverdacht zu stellen: «Wir müssen Urvertrauen in die Integrität unserer Mitarbeiter haben. Das ist in diesem Fall verletzt worden.»