Die Meldung sorgte für Aufruhr: In Moskau wurde vor zwei Jahren ein pensionierter Grenzkommissar aus Norwegen verhaftet, weil er jahrelang geheime Informationen zur russischen Nordflotte gesammelt und nach Oslo übermittelt haben soll.
Für Russland ist Frode Berg ein gerissener Spion. Für Norwegen dagegen ein naiver Rentner, der sich einspannen liess, sagt Julie Wilhelmsen, eine der renommiertesten Russland-Expertinnen in Norwegen.
Ein Gericht in Moskau hat Frode Berg inzwischen zu 14 Jahren Straflager verurteilt. Doch für die russische Seite bot die Geschichte, so Wilhelmsen, auch eine Steilvorlage für eine Strafaktion gegen das Nachbarland, quasi als Retourkutsche für die westlichen Sanktionen, denen sich Norwegen angeschlossen hatte.
Seit der Spionage-Affäre stehen nun zahlreiche norwegische Minister auf einer schwarzen Liste und erhalten keine Visa mehr für Russland.
Spionage nicht der einzige Streitpunkt
Die Probleme in den Beziehungen der beiden Nachbarn haben auch mit den Entwicklungen seit der russischen Annexion der Krim zu tun. Nicht nur in Russland, sondern auch in Norwegen kamen sicherheitspolitische Falken an die Macht.
Das zeigt sich im Falle Norwegens – wo seit 2013 eine rechtsbürgerliche Regierung im Amt ist – auch daran, dass im Russland-Dossier heute das norwegische Verteidigungsministerium und der Geheimdienst und nicht mehr wie früher das Aussenministerium und die lokalen Akteure im norwegisch-russischen Grenzgebiet das Sagen haben.
Früher, das war in der Zeit des Kalten Krieges, vor allem aber in den ersten beiden Jahrzehnten danach, als es den ungleichen Nachbarstaaten gelang, in vielen Bereichen eine echte Partnerschaft aufzubauen, betont Julie Wilhelmsen: «Ja, wir waren gute Partner: in Bereichen wie Fischerei, Seerettung, Umweltfragen, Kultur, Energie und sogar im militärischen Bereich», sagt die Forscherin des Aussenpolitischen Institutes in Oslo.
Einen vorläufigen Höhepunkt erreichten die gutnachbarschaftlichen Beziehungen im Jahre 2010. Unter Federführung des damaligen norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg, heute Generalsekretär der Nato, und des damaligen russischen Präsidenten Dimitri Medwedjew, heute Premierminister, gelang ein historischer Schulterschluss.
Nach einem jahrzehntelangen Streit einigten sich Norwegen und Russland auf eine Seegrenze in der ressourcenreichen Barentssee zwischen Nordkap und Nordpol.
Dieses Abkommen war alles andere als selbstverständlich, so Wilhelmsen. «Russland war ja damals schon in Kriege und Konflikte wie etwa in Tschetschenien und Georgien involviert, in Norwegen aber liessen wir bei Treffen mit russischen Vertretern die Champagnerkorken knallen. Jetzt ist es umgekehrt: unsere führenden Politiker reden kaum mehr miteinander», betont Julie Wilhelmsen.
Etwas mehr Pragmatismus gefordert
Vielleicht bieten nun die Gedenkfeierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Befreiung Nordnorwegens durch sowjetische Truppen einen Anlass für beide Seiten, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen.
Ebenfalls laufen Bestrebungen, den verurteilten Grenzkommissar und Bürger der Stadt Kirkenes, Frode Berg, im Rahmen eines Spionen-Austausches frei zu bekommen. Etwas mehr Pragmatismus in den Beziehungen täte beiden Nachbarn angesichts der vielen praktischen Herausforderungen in der gemeinsamen Arktis nur gut.