Je näher das Gipfeltreffen in Genf zwischen dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin rückt, desto bescheidener werden die Erwartungen.
Nichts erinnert an die historische Bedeutung des Gipfels von 1985. Damals trafen sich, ebenfalls in Genf, Ronald Reagan und Michail Gorbatschow und läuteten das Ende des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion ein. Biden aber will mit Putin nicht einmal eine gemeinsame Medienkonferenz abhalten, zu gross ist das Misstrauen.
Gefangen in einer Negativspirale
Immerhin besteht die Hoffnung, dass sich die USA und Russland auf nächste Schritte in Richtung Abrüstung einigen könnten. Doch in anderen Fragen ist kaum mit Fortschritten zu rechnen. Die USA und Russland sind gefangen in einer Negativspirale, und beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, dafür verantwortlich zu sein.
Für Putin haben die USA mit der Osterweiterung der Nato Versprechen gebrochen. Dass Nachbarländer Russlands wie Polen oder Estland selber in die Nato drängten, passt nicht ins russische Grossmachtdenken. Mit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 hat Russland das Verhältnis zum Westen seinerseits zerrüttet. Eine Beilegung des Konflikts ist nicht in Sicht.
Zwischen den USA und Russland herrscht tiefes Misstrauen. Biden bezichtigt Putin, für den Mordversuch am russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny im Jahr 2020 verantwortlich zu sein. Putin kontert mit Kritik am Umgang der USA mit dem Whistleblower Edward Snowden und dem Wikileaks-Gründer Julian Assange.
Auch wenn es um Cyberangriffe, Belarus und andere Konfliktherde geht, deutet wenig bis nichts auf eine Annäherung hin, im Gegenteil. Freilich würden sich Biden und Putin nicht ganz ohne Aussicht auf Ergebnisse treffen. Wo sich die Interessen ähneln, ist eine Einigung denkbar.
Viel zu viele Atomwaffen
So verfügen die USA und Russland zusammen über 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen. Die Bestände sind, militärisch betrachtet, viel zu gross, und vor allem sind sie teuer. Denkbar, dass sich die beiden Staaten – als grösster erwartbarer Erfolg – auf nächste Schritte hin zu einer Reduktion verständigen. Dass viel mehr nicht zu erwarten ist, liegt letztlich auch an den unterschiedlichen Weltbildern der beiden Staatschefs.
Putin sieht Russland als Grossmacht in einer multipolaren Welt, auf Augenhöhe mit den USA, China und der EU. Für Biden ist die Welt zweigeteilt: hier die USA als Anführerin der Demokratien, dort der Hauptrivale China und andere autokratisch regierte Staaten. Selbst wenn sich Biden und Putin in Genf unerwartet gut verstehen würden – ihre Weltbilder lassen sich nicht wirklich zusammenfügen.