Am Mittwoch wird Joe Biden als 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Biden selbst gehört seit Jahrzehnten zum Polit-Establishment in Washington. Der nächste «alte weisse Mann» im Oval Office, frotzeln Kritiker.
Als selbsternannter Präsident des Übergangs schart Biden jedoch ein äusserst diverses Kabinett um sich: Mit Kamala Harris wird erstmals eine Frau Vizepräsidentin. Weitere Regierungsposten haben alte Hasen, Newcomer und Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen inne.
«Das sind historische Nominierungen. Das Gruppenbild sieht völlig anders aus als unter Präsident Donald Trump», bestätigt SRF-Korrespondentin Isabelle Jacobi. Noch nie gab es so viele Frauen auf hohen Regierungsposten, so viele Hispanics, Afroamerikaner und Asiatinnen. «Die Weissen sind sogar untervertreten im Vergleich zur Gesellschaft in den USA.»
Mit Pete Buttigieg dürfte erstmals ein offen Schwuler als Verkehrsminister Einsitz im Kabinett nehmen. Erst gerade hat das Biden-Team die Transsexuelle Rachel Levine als Nummer zwei im Gesundheitsministerium nominiert.
«Allerdings», relativiert Jacobi, «wenn man Bidens engen Beraterzirkel im Weissen Haus ansieht, dominiert wieder die Farbe Weiss und das männliche Geschlecht.» In Washington spreche man bereits spöttisch vom «Wohlfühlzirkel» von Joe Biden.
Im Wahlkampf feuerten Trump und seine Republikaner gegen die «Sozialisten», die die USA zu übernehmen drohten. «Davon kann ganz sicher keine Rede sein», findet die Korrespondentin – und spricht von einem «Gemischtwarenladen», in dem die politische Mitte dominiert. «‹Corporate America› kann damit rechnen, dass ihre Anliegen Gehör finden.»
Bidens persönlicher Berater Steve Ricchetti war Lobbyist für Banken, Versicherungen und die Telekombranche. Der künftige Stabschef Ron Klain führte zuletzt eine Risikokapitalgesellschaft. «Und der nominierte Aussenminister und der Verteidigungsminister pflegen die Nähe zur Militärindustrie und Technologie-Branche», so Jacobi.
Parteilinke wird im Senat wirken
Biden und Harris gehören zum gemässigten Teil der Demokraten. In der Partei gibt es aber einflussreiche Exponenten, die weit links politisieren. Dieser Flügel bekomme im Biden-Kabinett nur wenig Gewicht, so die Korrespondentin. «Nur ein paar Besetzungen sind eine Verneigung gegen links.»
Dazu gehören die Innenministerin Deb Haaland oder die Klimaberaterin Gina McCarthy. Dem Kampf gegen den Klimawandel räumt Biden aber ohnehin hohe Priorität ein. Zudem wird der Wirtschaftsberater von Elizabeth Warren die Nummer zwei in Bidens Wirtschaftsrat. Ein anderer Protegé der linken Demokratin übernimmt die Führung des Konsumschutzbüros, das sie einst gegründet hat.
«Die Abschussrampe für linke Anliegen könnte in kommenden Jahren eher der Senat als das Weisse Haus sein», sagt Jacobi. Dort politisieren neben Warren auch die linke Galionsfigur Bernie Sanders oder Sherrod Brown, der dem Bankenausschuss vorsitzen wird. Sie wollen die US-Unternehmen zwingen, mehr soziale Kosten zu tragen.
Auch im Weissen Haus wollen die Demokraten mit «einem Knall anfangen», schliesst Jacobi: Die USA treten wieder dem Pariser Klimaabkommen bei und das sogenannte «Muslim-Einreiseverbot» wird aufgehoben. Zudem plant Biden grosse legislative Projekte wie ein zwei Billionen Dollar schweres Covid-Ausgabenpaket und eine umfassende Immigrationsreform.