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Bluttat in Aschaffenburg Es geschah am helllichten Tag

Die Kindergartenkinder sind auf dem Heimweg. Die Gruppe spaziert am Mittag durch den Schöntal-Park in Aschaffenburg, als ein 28-jähriger Mann aus Afghanistan angreift. Ein Zweijähriger wird durch die Messerstiche am Hals tödlich verletzt. Ein 41-jähriger Mann, der dem Kind zu Hilfe kommt, stirbt ebenfalls. Ein fürchterliches Verbrechen.

Der Fall in Bayern ist der neueste in einer erschütternden Serie. In Solingen werden letzten August Besucherinnen und Besucher eines Stadtfests getötet und verletzt. Der Täter: ein Asylbewerber aus Syrien, untergetaucht während des Asylverfahrens. Im Dezember werden in Magdeburg sechs Menschen getötet und Hunderte verletzt. Der Täter: ein Mann aus Saudi-Arabien, seit langem auffällig – aber letztlich unbehelligt gelassen. Mit einem Geländewagen rast er erbarmungslos in den Weihnachtsmarkt.

Lücken im Asylsystem werden offensichtlich

Die Taten erschüttern Deutschland, massive Fehler und Lücken im Asylsystem werden sichtbar. Es ist offenbar ein Leichtes, einfach von der Bildfläche zu verschwinden. Wer einmal in Deutschland ist, der schafft es in den meisten Fällen, zu bleiben. Ein völlig überforderter Staat verliert seine Handlungsfähigkeit.

Und die EU-Regeln tun ihr Übriges. Eigentlich müssten die Erstaufnahmeländer auch das Asylverfahren durchführen – doch oft scheitert die Rückübernahme am Widerstand der jeweiligen Länder, sie spielen auf Zeit. Weil: Die Rückübernahmepflicht erlischt, wenn eine gewisse Frist abgelaufen ist. Also tauchen Asylsuchende unter, bis die Fristen durch sind – und Deutschland offiziell für ihr Asylverfahren zuständig ist. Und weil die Meisten nach Deutschland wollen, bleibt alles an Deutschland hängen. Zudem sind Abschiebungen – zum Beispiel nach Afghanistan – äusserst schwierig bis unmöglich.

Deutschland ist also oft machtlos – dazu kommen Personalmangel und Schlamperei. Merkels «Wir schaffen das!» ist in den Augen vieler widerlegt.

Scholz und seine Asylpolitik: Schwere Belastung im Wahlkampf

Kanzler Olaf Scholz äussert sich heute ungewöhnlich klar. Er spricht von einer Terror-Tat, die Zeit des Redens sei jetzt vorbei, es müssten Konsequenzen folgen. Doch fragen sich viele Menschen: Wer hat denn in den letzten drei Jahren regiert? Wer wäre zuständig gewesen für Konsequenzen? Antwort: Bundeskanzler Olaf Scholz.

Die Tat von heute wird Olaf Scholz und die anderen Ampel-Regierungsparteien, Grüne und FDP, im Wahlkampf schwer belasten. Das Vertrauen in einen funktionierenden, beschützenden Rechtsstaat erodiert. Und viele Menschen werden sich weiter fragen: Hat die AfD, die Alternative für Deutschland, nicht doch recht? Angst ist ein Bauchgefühl – vielen fällt es angesichts der Vorgänge im Asylbereich schwer, sich ihrer Unsicherheitsgefühle zu erwehren, das Radikale trotz allem abzulehnen.

Wie weiter?

Viereinhalb Wochen noch bis zur Bundestagswahl. Scholz wird es kaum gelingen, in dieser kurzen Zeit eine Wende im Asylbereich hinzubekommen. Ein Debattenbeitrag kann aber der Blick auf die Zahlen sein, darauf, dass sich ein Grossteil aller Asylsuchenden nichts zu Schulden kommen lässt. Dass Asylsuchende nach fürchterlichen Taten wie heute selber massiv unter Druck kommen, Anfeindungen und Misstrauen ausgesetzt sind. Verantwortlich dafür sind jene Kriminellen, die Unschuldigen unermessliches Leid zufügen.

Menschen an Weihnachtsfesten. Oder Kindergartenkinder auf dem Heimweg.

Stefan Reinhart

Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

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Stefan Reinhart ist Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und Chef vom Dienst im Newsroom Zürich. Zuvor war er Deutschland-Korrespondent für SRF.

Hier finden Sie weitere Artikel von Stefan Reinhart und Informationen zu seiner Person.

Tagesschau, 22.01.2025, 19:30 Uhr

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