Ein Bruchteil einer Sekunde reichte, um eine Hochzeit in ein Begräbnis zu verwandeln. Der Attentäter platzierte während der Feierlichkeiten seine Bombe neben der Bühne, auf der eine Band spielte. Das Ziel: Möglichst viele Zivilisten zu töten.
Es war kein politischer Anschlag auf ausländische Truppen oder Regierungsangehörige, die in Afghanistan mit solchen Attacken rechnen müssen. Es war ein Anschlag auf einfache Bürger und Bürgerinnen. Und dennoch ist er hoch politisch. Denn die Botschaft der sunnitischen Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) ist klar: In Afghanistan ist mit uns nach wie vor zu rechnen.
Nicht mehr wie vor 9/11
Denn der Anschlag kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Taliban mit den USA über einen Truppenabzug oder eine Truppenreduktion verhandeln. In letzter Zeit gab es Zeichen einer Einigung. Wie diese Einigung aussehen soll, ist allerdings nicht bekannt.
Als kleinster gemeinsamer Nenner für einen Abzug der ausländischen Truppen in Afghanistan wird erwartet, dass die Taliban versprechen, Afghanistan nicht wieder zu einem Hort des internationalen Terrorismus zu machen. Wie damals vor dem 11. September 2001, als die aus Afghanistan tätige Al Qaida unter Osama Bin Laden die Anschläge auf das World Trade Center ausführten.
Taliban national, IS international
Just von den Taliban wird dieses Versprechen verlangt, die für den Grossteil der Anschläge in Afghanistan verantwortlich sind. Doch die Taliban haben nur eine nationale Agenda, sie wollen dort wieder an die Macht. Ausser in Pakistan waren sie nicht international tätig, haben keine Angriffe im Westen durchgeführt.
Ganz anders, der Islamische Staat, der für die Taliban ebenfalls ein ausländischer Eindringling ist: Dessen Agenda ist nach aussen gerichtet. Erst seit 2015 in Afghanistan präsent, konnte sich die Terrormiliz territorial nicht ausdehnen. Sie macht durch besonders perfide, aber einfach ausführbare Attacken vor allem auf die schiitische Minderheit im Land von sich reden – wie der gestrige Anschlag bei der Hochzeitsfeier. Mit solchen Anschlägen gibt der IS zu bekennen, dass er sich bereits in Afghanistan eingenistet hat.
Nicht mehr das Problem der USA
Müssten also die Taliban ein mögliches Versprechen einlösen, das in Afghanistan kein internationaler Terrorismus mehr aufkeimen kann, wären sie verpflichtet, dezidiert gegen den IS im Land vorzugehen – militärisch. Das würde im schlimmsten Fall einen inner-afghanischen Konflikt zwischen den beiden Terrorgruppen zur Folge haben.
Weitere Attacken und weitere zivile Opfer wären die Konsequenz. Leiden würde nach wie vor die afghanische Bevölkerung. Doch das wäre dann nicht mehr das Problem der USA. Nach einem Truppenabzug wären die Afghanen auf sich allein gestellt sein.