Samuel klappt den Laptop in einem Gartencafé in Kenias Hauptstadt Nairobi auf. Heute ist das sein Arbeitsplatz. Denn arbeiten kann der 26-Jährige überall. Alles, was er braucht, sind ein Computer und Internet. «Ich habe schon über alles Mögliche geschrieben: Finanzen, griechische Mythologie, Soziologie, IT, Geschichte», zählt der Kenianer auf.
Ursprünglich hat er Statistik und Wirtschaft studiert. Er hat einen Bachelorabschluss. Seit zwei Jahren schreibt der junge Mann allerdings Hausarbeiten in Englisch für Studierende rund um den Globus. Manchmal erhalte er innerhalb einer Woche Aufträge aus allen Kontinenten.
Samuel möchte nicht mit vollem Namen genannt werden. Zu stark sei der Druck in der Branche, dass die Arbeit ausbleiben könnte, wenn zu viele Informationen über das «Academic Writing» an die Öffentlichkeit gelangten. Denn «Academic Writing» ist ein grosses Geschäft in Kenia.
Diverse Kanäle
Es gibt verschiedene Arten, wie der junge Kenianer zu seinen Aufträgen kommt. Dutzende Webseiten bieten solche Dienste an, es gibt Facebook-Gruppen mit Zehntausenden Mitgliedern. Am liebsten mag Samuel aber, wenn Agenten ihn direkt per E-Mail oder Whatsapp anschreiben.
Der Kenianer kennt die Agenten nicht persönlich, weiss nicht, wie sie heissen oder wie sie aussehen. Manchmal weiss er nicht einmal, wo auf der Welt sie sich befinden. Die meisten seiner Kundinnen und Kunden sind Studierende im ersten oder zweiten Jahr. Doch Samuel hat auch schon an Doktorarbeiten geschrieben.
Gutes Geld
Der Kenianer mag seinen Job. Er habe flexible Arbeitszeiten, lerne jeden Tag Neues und verdiene gut. Im Schnitt verdient der Mittzwanziger 2000 US-Dollar im Monat. Das ist mehr als eine Professorin an der staatlichen Uni in Kenia verdient und rund sechzehnmal mehr als der Mindestlohn.
Im internationalen Vergleich verdient Samuel aber immer noch weniger als seine Konkurrenten im globalen Norden. Das sei sicher mit ein Grund, warum es so viele Ghostwriter in Kenia gebe, meint Thomas Lancaster, ein Experte auf dem Gebiet. Er geht von einigen Tausend aus.
«In meinen Recherchen darüber, wo Ghostwriter zu Hause sind, taucht Kenia seit mehreren Jahren als Nummer eins auf. Die Studierenden wissen aber meist nicht, dass ihre Arbeit in Kenia verfasst wird», so Lancaster.
Der Brite forscht seit Jahren zum Thema. Die Schreibagenturen hätten vom Coronavirus und dem damit einhergehenden Online-Lernen profitiert. Auch Ghostwriter Samuel in Nairobi ist seit Beginn der Pandemie gut eingedeckt mit Arbeit.
Wenn Studierende vorgeben, dass sie die Hausarbeit, die ich verfasst habe, selbst geschrieben haben, dann ist das ihre Entscheidung, nicht meine.
Moralische Bedenken habe der junge Mann nicht. «Wenn Studierende vorgeben, dass sie die Hausarbeit, die ich verfasst habe, selbst geschrieben haben, dann ist das ihre Entscheidung, nicht meine.»
Doch gewisse Skrupel habe er: «Wenn eine Krankenschwester ihr Hausaufgaben nicht verstanden hat, dann hat dies Auswirkungen auf die Patienten. Darum nehmen wir diese Aufträge nicht an.» Das sei ein Verhaltenskodex, der in der gesamten Branche in Kenia eingehalten werde, unterstreicht der Ghostwriter.