Die Ankündigung nach der heutigen Videokonferenz zwischen der Europäischen Union und Grossbritannien, dass es keine Fristverlängerung in Bezug auf die Post-Brexit-Verhandlungen geben wird, kam nicht überraschend. Die EU zeigte sich zwar offen für eine Verlängerung der Übergangsphase, aber Grossbritannien machte stets deutlich, dass eine Fristverlängerung keine Option sei.
Und so schreibt heute der britische Kabinettsminister Michael Gove via Twitter: «Wir werden am 1. Januar 2021 die Kontrolle zurückholen und unsere politische und ökonomische Unabhängigkeit wiedergewinnen.» Mit dem Austritt aus der Europäischen Union möchte Grossbritannien also seine Souveränität als eigenständiger Staat zurückhaben und gleichzeitig am Europäischen Binnenmarkt teilnehmen.
Ein gemeinsames Abkommen ist möglich
Das geht nach dem Standpunkt der Europäischen Union aber nur dann, wenn Grossbritannien beispielsweise die geforderten Wettbewerbsbedingungen (Level-Playing-Field) wie die EU-Umweltstandards oder die EU-Arbeitnehmerbedingungen akzeptiert. So machte EU-Chefunterhändler Michel Barnier bereits am 15. Mai 2020 deutlich, dass die EU nicht zulasse, dass Drittstaaten Kriterien für den Zugang zum europäischen Binnenmarkt definieren würden.
Trotz der verhärteten Positionen auf beiden Seiten und den geringen Fortschritten bei den bisherigen Verhandlungen ist ein gemeinsames Abkommen bis zum Jahresende noch möglich. Am Montag soll sich Premierminister Boris Johnson mit der EU-Spitze über den weiteren Verhandlungsverlauf austauschen und von Ende Juni bis Ende Juli soll es wöchentliche Verhandlungsrunden geben.
Der Druck auf beiden Seiten ist gross, die Maximalpositionen zu verlassen. Denn ein harter Bruch mit wirtschaftlichen Folgen für beide Parteien kann wohl nur dann verhindert werden, wenn man sich bereits im kommenden Herbst auf ein Abkommen einigen kann. Anschliessend müssten bis zum Jahresende noch das Europäische sowie auch das Britische Parlament das Abkommen bestätigen.