Statt in geheizten Hörsälen stehen rund 100 Dozentinnen und Dozenten in der Kälte draussen vor ihrer Universität, im nordenglischen Newcastle. Sie streiken und fürchten um ihre Stellen. Bis zu 300 von ihnen droht die Entlassung, weil weniger ausländische Studierende ins Land kommen und deren Gebühren in der Kasse der Universität fehlen. Die strengere Zuwanderungspolitik der britischen Regierung bringt Universitäten in finanzielle Schwierigkeiten.
«Die Regierung ist besessen von der Idee, die Zuwanderungszahlen herunterzubringen», kritisiert Isabelle Ruegg-Alter, Dozentin am Institut für Moderne Sprachen, «ungeachtet, ob die Zugewanderten erwünscht oder unerwünscht ins Land kommen oder was sie dem Land bringen – ökonomisch.»
Ausländische Studierende sind für britische Universitäten einträglich. Ihre Gebühren sind nicht staatlich reguliert – anders als jene von Einheimischen.
Grossbritannien bleibt für ausländische Studierende trotz teilweise schwindelerregend hoher Gebühren attraktiv: Mit dem Studienvisum erhalten sie auch die Erlaubnis, nach dem Bachelor zwei weitere Jahre bleiben und arbeiten zu dürfen. Zudem konnten sie bisher ihre Partnerin oder ihren Partner mitbringen, die dort arbeiten durften.
Der Familiennachzug wird zum Politikum
Was den Universitäten Milliarden an Einnahmen bringt, wurde 2023 zum Politikum: Ausländische Studierende und ihre Angehörigen sind ein wesentlicher Treiber der rekordhohen Zuwanderung. Manche vermuten, das Studienvisum werde missbraucht, um nach Grossbritannien einzuwandern und Arbeit zu suchen.
Aus diesem Grund schränkte die konservative Regierung 2023 das Recht auf Familiennachzug für Masterstudierende und Doktorierende ein; ebenso das Recht, nach Abschluss zwei Jahre im Land bleiben und arbeiten zu dürfen.
Plötzlich bleiben ausländische Studierende weg
Seit 2024 kommen weniger ausländische Studierende ins Land. Ihre Zahl sinkt im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent, wie Statistiken des Innenministeriums zeigen. Die Anzahl Visa für Familienangehörige ging gar um 84 Prozent zurück.
Dadurch entgeht den Universitäten eine riesige Summe an Einnahmen. «Das Business-Modell der britischen Hochschulen ist kaputt», titelte «The Economist» kürzlich.
Die Gewerkschaft der Uni-Dozentinnen und -Dozenten sieht das genauso – und übt Kritik: «Das Finanzierungsmodell der Hochschulen ist nicht nachhaltig», sagt Jo Grady, Generalsekretärin der Dozierenden-Gewerkschaft UCU, am Streiktag in Newcastle. «Die Finanzen der Universitäten hängen zu stark von Gebühren ab – und geraten ausser Kontrolle, wenn die ausländischen Studierenden wegbleiben. Wir fordern die Regierung auf, Geld bereitzustellen, um die Hochschulen zu stabilisieren.»
Entlassungen im Frühling
Weil die Einnahmen von ausländischen Studierenden einbrechen, versuchen die Universitäten ihre Ausgaben zu reduzieren – mit freiwilligen Abgängen. Entlassungen werden folgen. Dozent Richard McClelland befürchtet, im Frühling die Kündigung zu bekommen. «Werden wir entlassen, müssen wir die Universität im Juli verlassen.»
Das wollen McClelland und seine Kollegen in Newcastle mit regelmässigen Streiks verhindern. Landesweit drohten gegen 10‘000 Entlassungen, befürchtet die Dozierenden-Gewerkschaft UCU.