Britische Medien freuen sich an Donald Trumps Geschmack bei der Inneneinrichtung. Dass er eine Bronzebüste von Winston Churchill im Oval Office aufstellen liess, wird in Grossbritannien als Indiz gewertet, dass die «Special Relationship» zwischen London und Washington wieder inniger werden könnte. Am Freitag nun besucht Premierministerin Theresa May Donald Trump in der US-Hauptstadt. Was sich May dabei erhofft, erklären SRF-Korrespondenten dies- und jenseits des Atlantiks.
SRF News: Welche Hoffnung setzen die Briten in ein Wiederaufleben der «Special Relationship?
Martin Alioth: Premierministerin Theresa May hat in den letzten Tagen mehrfach von «Global Britain» gesprochen. Von einer nicht mehr europäischen Regionalmacht also, sondern von einem globalen Fussabdruck für die Briten, vielleicht mit historischem Unterton. Nach der Abkehr von der EU und deren Binnenmarkt winkt offenbar ein Ersatz in Form der Vereinigten Staaten. Da sind nostalgische, sentimentale Motive dahinter. May sprach heute in Philadelphia offenbar von einer anglo-amerikanischen Führungsrolle in der Welt. Da hat sie den Mund sehr voll genommen. Im Grunde will May ein Versprechen Trumps: einen raschen Handelsvertrag mit den USA, sobald der Brexit rechtskräftig geworden ist.
Selbst wenn ein solcher Vertrag zustande kommen sollte, würde es doch die wirtschaftliche Verflechtung Grossbritanniens mit der EU nicht ersetzen.
Martin Alioth: Keinesfalls. Die USA sind zwar der grösste britische Exportmarkt unter den Staaten. Zusammen aber sind die EU-Staaten zweieinhalbmal so wichtig und für die britischen Importe fast siebenmal wichtiger als die Amerikaner. Auch stellen sich im Falle eines britisch-amerikanischen Handelsabkommens dieselben politischen Fragen wie bei TTIP, dem inzwischen gescheiterten multilateralen Abkommen EU-USA: Dürfen beispielsweise private US-Gesundheitskonzerne den staatlichen britischen Gesundheitsdienst konkurrenzieren? Werden Chlorhühnchen und genetisch manipulierte Nahrungsmittel auf britischen Tellern erscheinen? Diese Probleme würden sich bei einem bilateralen Abkommen nicht ändern.
Wie gross ist Trumps Interesse an einem Freihandelsabkommen mit den Briten?
Beat Soltermann: Donald Trump ist immer noch der Geschäftsmann Trump. Bei einer solchen Frage überlegt er sich, was die USA mit einem solchen Abkommen gewinnen könnten. Die Eckdaten zeigen: Grossbritannien ist ein wichtiger Handelspartner der USA, aber nicht so wichtig wie etwa Mexiko, Kanada und China.
Die Aussenhandelsbilanz USA – Grossbritannien ist in etwa ausgeglichen. Zudem gibt es sehr viele Direktinvestitionen zwischen den beiden Staaten. Das spricht eigentlich für ein solches Abkommen.
Trump hat denn auch zumindest Offenheit signalisiert und im Gegensatz zum Vorgänger Obama festgehalten, dass die Briten sich für einen solchen Deal nach der Brexit-Abstimmung nicht zuhinterst anstellen müssten.
Könnte die Trump-Regierung versucht sein, die nach Brexit international ziemlich isolierten Briten in ein für sie eher unvorteilhaftes Abkommen zu drängen.
Beat Soltermann: Trump wird sicher mit aller Härte verhandeln wollen, ungeachtet der «Special Relationship». Er will künftig bilaterale Abkommen statt multilaterale Verträge, weil er so mehr aus dem Verhandlungspartner herausquetschen kann. Vor allem bei den ersten solchen Verträge kann er es sich innenpolitisch gar nicht erlauben, allzu viel nachzugeben, vor allem nicht auf Kosten der US-Arbeitnehmer: «America first». Trump weiss, dass die Briten ein solches Abkommen viel stärker brauchen als er. Auch können sich die Briten nicht mehr als Einfallstor zum EU-Markt anbieten. Das alles versetzt Trump in eine sehr gute Verhandlungsposition.
Ursprünglich war die «Special Relationship» vor allem auch von sicherheitspolitischer Nähe geprägt. Wie wichtig ist das heute für die Briten?
Martin Alioth: Wesentlich wichtiger als für die Amerikaner. Es geht um ein Prestige, dass durch die militärische Realität längst nicht mehr gewährleistet ist. Eine Ausnahme machen wohl die Geheimdienste, wo die Zusammenarbeit für die Amerikaner noch wichtig ist. Militärisch aber fehlen den Briten schlicht die Kapazitäten, wie sich im Südirak und in Afghanistan in den letzten Jahren vielfach zeigte. Politisch ist die Versuchung der Briten, sich etwas aufzuplustern, oft unwiderstehlich. Die Asymmetrie zwischen London und Washington ist aber offensichtlich: Wenn die Amerikaner ein britisches Abenteuer für unsinnig haltenm wie etwa in Suez oder den Falklands, sagen sie das. Wenn die Briten Zweifel an einem US-Vorhaben haben, machen sie trotzdem mit, wie der Irak-Krieg fatal illustrierte.
Das Gespräch führte Roman Fillinger.