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Bürgermeister von Istanbul Türkische Justiz verhaftet Erdogan-Kontrahenten Imamoglu

  • Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu ist wenige Tage vor der geplanten Ernennung zum Präsidentschafts­kandidaten verhaftet worden.
  • Das bestätigte die Oppositionspartei CHP, die Imamoglu zum Kandidaten für die reguläre Präsidentschaftswahl 2028 aufstellen will. 
  • Das Büro des Gouverneurs der Provinz Istanbul verhängte zudem eine viertägige Demonstrations-, Versammlungs- und Nachrichtensperre.

Oppositionspartei CHP ruft Türken zu landesweiten Protesten auf

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Nach der Festnahme Imamoglus hat seine Partei zu landesweiten Protesten aufgerufen. Menschen sollten um 12 Uhr MEZ (Ortszeit 14 Uhr) vor Einrichtungen der sozialdemokratischen CHP im ganzen Land zusammenkommen, teilte die Partei mit. Für Istanbul gelte das nicht, sagte der CHP-Politiker Özgür Celik.

Dem wichtigsten politischen Konkurrenten von Präsident Recep Tayyip Erdogan werde die Führung einer kriminellen Vereinigung, Bestechung, Manipulation von Ausschreibungen und die Unterstützung einer terroristischen Organisation vorgeworfen, teilten die Behörden mit. Neben ihm wird demnach gegen 99 weitere Beschuldigte ermittelt.

Imamoglu veröffentlichte am Morgen auf der Plattform X ein Video, in dem er davon sprach, dass Hunderte Polizisten vor seiner Haustür stünden. «Wir befinden uns im Angesicht einer grossen Tyrannei», schrieb er dazu. Er werde aber nicht aufgeben. Mehrere Fernsehsender berichteten, die Polizei habe sich Zutritt zu Imamoglus Anwesen verschafft und das Gebäude durchsucht.

Mann in Anzug hält Mikrofon und winkt.
Legende: Seit 2019 ist Ekrem Imamoglu der Stadtpräsident von Istanbul. Keystone/Emrah Gurel

In Istanbul sind mehrere Strassen gesperrt worden. Vier Tage lang bleiben laut dem Gouverneursamt in der Innenstadt ausgewählte Strassen gesperrt, zudem werden mehrere Bahnstationen geschlossen. Auch seien alle Arten von Versammlungen und Demonstrationen bis zum 23. März verboten.

CHP-Chef Özgür Ozel sprach von einem Putschversuch und einem entscheidenden Moment für die Zukunft der türkischen Demokratie. Das Volk solle daran gehindert werden, den nächsten Präsidenten selbst zu bestimmen. Er rief die 1.7 Millionen Parteimitglieder dazu auf, trotz der Verhaftung am Sonntag an der partei-internen Wahl des CHP-Spitzenkandidaten teilzunehmen.

Vorwurf krimineller Aktivitäten

Die Staatsanwaltschaft Istanbul teilte mit, dass es bei den Ermittlungen gegen Imamoglu um zwei Verfahren gehe. Zum einen handle es sich um den Vorwurf krimineller Aktivitäten im Zusammenhang mit Ausschreibungen der Stadtverwaltung, in die 100 Personen verwickelt seien. Darunter seien Journalisten und Geschäftsleute.

Im zweiten Fall werde Imamoglu und sechs weiteren Personen vorgeworfen, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die von der Türkei als Terrororganisation eingestuft wird, unterstützt zu haben.

Verhaftung erschüttert türkische Finanzmärkte

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In der Türkei hat der Haftbefehl gegen Ekrem Imamoglu die Finanzmärkte erschüttert. Die Landeswährung Lira sackte zum US-Dollar auf ein Rekordtief ab, der Aktienmarkt brach ein und am Anleihenmarkt zogen die Renditen deutlich an.

Zwischenzeitlich mussten mehr als 40 Lira für einen Dollar gezahlt werden. An der Börse in Istanbul brach der Leitindex Borsa Instanbul 100 um fast 7 Prozent ein. Zuletzt stand noch ein Minus von 4.6 Prozent zu Buche. Auch am Anleihenmarkt gingen die Kurse auf Talfahrt. «Türkische Vermögenswerte stehen unter starkem Verkaufsdruck», sagte Piotr Matys, Währungs-Analyst bei In Touch Capital Markets. Einigen Anlegern werde nun erneut in Erinnerung gerufen, dass Präsident Erdogan seine Macht noch mehr festigen will.

Nach der Festnahme von Imamoglu meldete die Internetbeobachtungs­organisation NetBlocks, dass der Zugang zu mehreren Online-Plattformen in der Türkei eingeschränkt worden sei. Dazu zählten X, YouTube, Instagram und TikTok.

Universität entzieht Imamoglu akademischen Grad

Das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen Imamoglu hatte sich schon vorher angekündigt. Am Dienstag war bekanntgeworden, dass die Universität Istanbul ihm den Hochschulabschluss aberkannt hat. Dieser ist Voraussetzung zur Kandidatur für das Präsidentenamt.

Hintergrund der Annullierung soll ein angeblich unrechtmässiger Universitätswechsel sein. Imamoglu erklärte, er wolle gegen die Entscheidung vor Gericht ziehen, habe aber das Vertrauen in faire Urteile verloren. Ihm drohen in einer Reihe weiterer Verfahren Haftstrafen und Politikverbote.

Sein Anwalt Kemal Polat hatte der Deutschen Presse-Agentur vor Bekanntwerden des Haftbefehls gesagt, Imamoglu könne erst als Präsidentschaftskandidat antreten, wenn alle Rechtswege gegen die Entscheidung ausgeschöpft seien. Der Vorsitzende der CHP, Özgür Özel, sprach von einer politischen Entscheidung.

«Politisch motivierte Verhaftung wahrscheinlich»

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Vieles deute auf ein politisch motiviertes Verfahren hin, um den potenziellen Präsidentschaftskandidaten Ekrem Imamoglu zu verhindern, sagt Thomas Seibert, freier Journalist in Istanbul. Denn der langjährige Stadtpräsident von Istanbul hätte an der baldigen Mitgliederabstimmung der Oppositionspartei CHP wohl ein landesweites Mandat für seine Kandidatur gegen Präsident Erdogan 2028 erhalten.

Selbst wenn man der Staatsanwalt ernsthafte Ermittlungen zugutehalten würde, gäbe es laut Seibert wohl keinen Grund, Imagoglu im Morgengrauen in einer Grossaktion festzusetzen. Auffällig sei zugleich, dass Ermittlungen immer nur gegen Politiker aus den Oppositionsreihen geführt würden und nie gegen solche der Regierungspartei.

Imamoglu als populärster Politiker in der Türkei neben Erdogan könne dem amtierenden Präsidenten tatsächlich gefährlich werden, schätzt Seibert. Er sei populärer und schneide in den Umfragen meistens besser ab. Ein ernstzunehmender Gegner also, der sich in den letzten Jahren eine landesweite Unterstützung erarbeitet habe.

HeuteMorgen, 19.03.2025, 07:00 Uhr ; 

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