«Wer Istanbul regiert, regiert die Türkei» – das hat der Türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan immer wiederholt: hat er doch selbst seinen Aufstieg zur Macht als Oberbürgermeister am Bosporus begonnen.
Erstmals nach 25 Jahren gewinnt nun dieses Amt Ende März ein Kandidat der Opposition. Die Wahl muss an diesem Sonntag wiederholt werden – wegen angeblicher formaler Fehler bei der Stimmauszählung: ein abgekartetes Spiel des Präsidenten – tönt die Opposition und schlägt Kapital heraus.
Bei den Umfragen liegt Ekrem Imamoglu jetzt klar vorn. Er möchte die heutige Wahl noch einmal gewinnen – aber mit einem klaren Vorsprung, damit niemand mehr ihm seinen Sieg streitig machen kann. «Diesmal werden die Bürger Istanbuls die richtige Antwort finden auf die Ungerechtigkeit nach der letzten Stimmauszählung», so Imamoglou. «Diesmal wird Istanbul und die Demokratie siegen.»
Die Auslegung der Opposition ist klar: Die erzwungene Wahlwiederholung am Bosporus sei für Recep Tayyip Erdogan und seinen Spitzenkandidaten für das Bürgermeisteramt ein Eigentor. Die AKP werde am Sonntag weitere Stimmen verlieren.
«Seit vier Jahren schmelzen die Wählerstimmen für die AKP dahin, vor allem in den urbanen Zentren. Erdogans Partei findet einfach kein Mittel dagegen», sagt der politische Kommentator, Kemal Can.
Schuld sei nicht nur die andauernde Wirtschaftskrise, nach 17 Jahren unbeschränkter Herrschaft spielen auch zu viel Machthunger und Korruption in den eigenen Reihen eine Rolle.
Erdogan spielt die Wahl herunter
Ich wundere mich, dass die ausländischen Medien so an diesen Wahlen interessiert sind?
Der grosse Abwesende im Wahlkampf ist Präsident Erdogan. Als ob er das Ergebnis schon vorausahnt, spielt er den Urnengang herunter: «Ich wundere mich, dass die ausländischen Medien so an diesen Wahlen interessiert sind? Ich frage mich auch, warum die ausländische Politik so sehr auf diese Wahlen schaut, die ja in Istanbul nur einen neuen Oberbürgermeister bestimmen?»
Nicht gerade viel Rückhalt für den AKP-Spitzenkandidaten Binali Yildirim, den viele in Istanbul schon als abgeschrieben sehen. Und Präsident Erdogan zieht sich aus dem Wahlkampf zurück, nachdem er noch beim ersten Wahlgang 102 Wahlkampfauftritte in 50 Tagen absolviert hatte.