Die Bürgerproteste in den USA haben auch Einfluss auf die Downloadcharts der Smartphone-Apps. Dort stehen plötzlich Dienste weit vorne, die Aktivistinnen und Aktivisten verschlüsselt kommunizieren lassen oder Informationen über Polizeieinsätze austauschen.
Besonders interessant ist die App «Citizen», durch die sich Polizeieinsätze mitverfolgen lassen. In der letzten Woche gab es laut dem Statistikdienst Sensor Tower 620'000 neue Installationen – ein Zuwachs von 916 Prozent gegenüber der Vorwoche.
«Citizen» wurde bereits 2016 unter dem Namen «Vigilante» lanciert und zeigt den Benutzerinnen und Benutzern, wo in der Nähe es Polizei- oder andere Notfalleinsätze gibt. Dazu werden Notfallfrequenzen der Polizei und anderer Einsatzkräfte abgehört, digitalisiert und von Algorithmen nach bestimmten Stichworten durchsucht.
Von Menschenhand werden dann Vorfälle wie zum Beispiel Polizeikontrollen aussortiert, die nichts mit der öffentlichen Sicherheit zu tun haben. Was übrig bleibt, landet auf einer Karte, die sich beim Öffnen der App zeigt und laufend aktualisiert wird.
Eine App für Schaulustige und Möchtegern-Spitzel?
Weil sich in «Citizen» ausserdem eigene Inhalte hochladen lassen, übernimmt die App bei den Protesten auch die Funktion eines sozialen Netzwerkes. Aktivistinnen und Aktivisten tauschen sich dort über die Aktionen der Polizei aus oder veröffentlichen Live-Videos von Einsätzen, bei denen sie mögliche Fälle von Polizeigewalt festzuhalten versuchen.
Seit jeher wird «Citizen» vorgeworfen, die App sei vor allem für Schaulustige und Möchtegern-Spitzel interessant. Auch unter den neuen Benutzerinnen und Benutzern der letzten Woche wird es viele geben, die «Citizen» nicht als Hilfsmittel für Protest brauchen, sondern damit nur ihre Sensationslust bedienen – sei es vor Ort oder in den sicheren heimischen vier Wänden.
Kritik von Bürgerrechtsorganisationen
Dass die App zu einem wichtigen Hilfsmittel für Gruppen wie «Black Lives Matter» geworden ist, die bei den Protesten eine führende Rolle übernehmen, lag jedenfalls kaum in der Absicht der Macher. Beim Start vor vier Jahren sollte «Citizen» Nutzerinnen und Nutzern vor allem dazu dienen, selbst beobachtete vermeintliche Verbrechen zu melden.
Das sorgte für Kritik von Bürgerrechtsorganisationen. Sie kritisierten, solche Vigilanten-Meldungen könnten dazu beitragen, Vorurteile gegenüber Afroamerikanern zu verstärken.