Normalerweise sind die Koglweogo-Milizen in der Nacht unterwegs. Dann gehen sie auf die Jagd nach Kriminellen. Die Patrouillen machen sie freiwillig und ohne Ausbildung. «Dafür trainieren?», lacht Sekretär Zagre Bachirou, «man braucht bloss etwas Mut.»
An einer Haustür demonstriert ein Koglweogo, wie man einem Kriminellen auflauert. Bewaffnet sind die Milizen mit Knüppeln und Jagdgewehren. Die Gruppe ersetzt im Dorf Poessin die Polizei. Der Staat hat in Burkina Faso vielerorts die Kontrolle verloren.
In Gruppen patrouillieren die Männer im und ums Dorf. «Koglweogo» bedeutet in der Sprache der Mossi «Wächter des Waldes». Die erste Miliz entstand 2015, weil in den Wäldern Burkina Fasos oft Vieh gestohlen wurde.
Im Hauptquartier stapelt sich Diebesgut. Besonders beliebt sind elektronische Geräte. In einem grünen Heft werden die Strafen der Diebe festgehalten. Ein Ziegendieb beispielsweise muss den Schaden von 30 gestohlenen Ziegen ersetzen – umgerechnet rund 2000 Franken. Im blauen Stuhl sitzt Sekretär Zagre Bachirou.
Neben dem Hauptquartier sitzt ein Dieb im Schatten eines Baumes. Seine Familie hat kein Geld, um die Kaution zu bezahlen. Also bleibt der Mann angekettet. Er sagt, er sei von den Koglweogo geschlagen worden. Eine Aussage, welcher der Sekretär nicht explizit widerspricht: «Einen Dieb schlagen? Wir korrigieren ihn etwas, das ist alles.»
Um Hinweise auf Komplizen oder Diebesgut zu erhalten, stecken die Koglweogo den Dieben Hühnerknochen zwischen die Finger. Dann wird mit einem Gummiband zugedrückt. Die schmerzhafte Prozedur sei nötig, so Sekretär Bachirou. «Die Diebe sollen bloss die Wahrheit sagen. Jemanden etwas an den Ohren zu ziehen, ist doch keine Folter.
Für Stéphane Ouédraogo von der lokalen Menschenrechtsorganisation CIFDHA sind die Bürgermilizen absolut illegal: «Das sind Bürger, die Bürger verhaften. Auf den sozialen Medien findet man Videos, die zeigen, wie Koglweogo systematisch die Menschenrechte verletzen.»
Der Hauptgrund dafür: Der Staat hat in Burkina Faso vielerorts die Kontrolle verloren. Das führt auch zu Terrorismus. In der Sahelregion greifen dschihadistische Gruppen Dörfer an. Hunderttausende sind deswegen bereits geflüchtet. Das Recht in die eigenen Hände zu nehmen, sei trotzdem falsch, sagt Anwalt Ouédraogo.
Motorräder von Kriminellen stehen beim Hauptquartier der Koglweogo. Die Zahl der Überfälle und Diebstähle ist in den meisten Regionen Burkina Fasos zurückgegangen, seit es die Bürgerwehren gibt. Im Dorf Poessin hört man darum keine kritische Stimme. Die einen sind froh um Recht und Ordnung, andere wollen es sich nicht verscherzen mit der mächtigen Miliz.
Auf der Patrouille stossen die «Wächter des Waldes» auf drei Männer, welche an einem Joint ziehen. Zunächst hält einer der Koglweogo einen Vortrag darüber, wie schädlich Marihuana sei. Dann lässt sich ein anderer Koglweogo vom Drogenhändler eine Note in die Hand drücken.
Schliesslich lässt man die drei Männer gewähren. «Der Dealer hat uns auch schon geholfen, Räuber zu überführen», erklärt Inoussa. Er sei quasi ein verdeckter Koglweogo.
Die Milizen halten in vielen Gegenden Kriminelle und manchmal sogar Terroristen in Schach. Doch sie agieren willkürlich. Sie sind zudem auf finanzielle Unterstützung angewiesen. «Wenn wir Diebesgut zurückbringen, erhalten wir oft etwas vom Besitzer», erklärt der Sekretär der Miliz. Selbstverständlich seien diese Beiträge absolut freiwillig.
Doch wie das Ereignis mit dem Drogenverkäufer zeigt, ist der Druck der Miliz wohl oft gross. «Wir setzen die Menschenrechte durch», erklärt Sekretär Bachirou. Das kann in Burkina Faso durchaus etwas wehtun.