Mit der Erststimme wählt die Bevölkerung jeweils eine Kandidatin oder einen Kandidaten aus dem eigenen Wahlkreis. Derer gibt es in Deutschland 299. In den einzelnen Wahlkreisen konkurrieren die Kandidaten und Kandidatinnen um die Erststimmen der Wählerschaft.
Das Prinzip ist ganz einfach: Wer die meisten Stimmen innerhalb vom eigenen Wahlkreis erhält, bekommt ein Direkt-Mandat und zieht als Abgeordneter oder Abgeordnete in den Bundestag. Alle anderen gehen leer aus. So kommen insgesamt 299 Abgeordnete in den Bundestag und gleichzeitig ist sichergestellt, dass jeder Wahlkreis und jede Region im Bundestag vertreten ist.
Mehrheitsverhältnisse durch Zweitstimmen
Mit der Zweitstimme wählt die Bevölkerung keine Person, sondern die Landesliste einer Partei. Auf diesen Listen werden diejenigen Personen als erste in den Bundestag gewählt, welche an erster Stelle stehen. Wie sich diese Landeslisten jeweils zusammenstellen, entscheiden die Delegierten an ihren Wahlparteitagen.
Da die Zweitstimmen über die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und somit über die definitive Sitzverteilung bestimmen, sind diese wichtiger als die Erststimmen. Vereinfacht ausgedrückt: Erhält eine Partei bundesweit 30 Prozent aller Zweitstimmen, nimmt sie auch mindestens 30 Prozent aller Sitze im Bundestag ein.
Sperrklausel alias 5-Prozent-Hürde
Ganz so einfach ist es dann aber trotzdem nicht: Erreicht eine Partei keine fünf Prozent aller Zweitstimmen, kann sie nicht in den Bundestag einziehen. Es sei denn, die Partei ist bereits mit mindestens drei Direktmandaten im Bundestag vertreten. In diesem Fall erhält sie auch alle ihre Zweitstimmen. Hat die Partei aber weder fünf Prozent aller Zweitstimmen noch drei Direktmandate, zieht sie auch nicht in den Bundestag ein.
Nun ist es aber möglich, dass eine Partei mehr Direktmandate (sprich Sitze) im Bundestag erhält, als ihr durch die Zweitstimmen überhaupt zur Verfügung stehen: Man spricht von sogenannten Überhangmandaten.
Überhangmandate entstehen meist dann, wenn viele Wählerinnen und Wähler Wahlkreiskandidaten einer Partei wählen, ihre Zweitstimme dann aber einer anderen Partei geben. Die Verteilung der Sitze wird auf die jeweiligen Bundesländer verrechnet. Wenn also eine Partei in einem Bundesland acht Direktmandate hat, ihr aber nach Zweitstimmen nur fünf Sitze zustehen, entstehen drei Überhangmandate. Alle drei erhalten aber einen Sitz im Bundestag.
Vorteile von Überhangmandaten unterbinden
Nach einer Anpassung vom Wahlgesetz im Jahr 2013, müssen alle Überhangmandate ausgeglichen werden. In einem zweiten Wahlgang wird deshalb die Gesamtzahl an Sitzen im Bundestag so lange erhöht, bis alle aufgetretenen Überhangmandate auf Listenmandate der Partei anrechenbar sind. Die anderen Parteien erhalten im Gegenzug – abhängig von ihrem Ergebnis – Ausgleichmandate. Mit diesem Gesetz werden also Vorteile durch Überhangmandate unterbunden. Unerwünschter Nebeneffekt der Regelung: Der Bundestag wird immer grösser. In der aktuellen Legislatur zählt er bereits 709 Mitglieder. Eine im vergangenen Jahr beschlossene, zweistufige Wahlrechtsreform will das Wachstum nun stoppen. So werden bei den Wahlen im September 2021 in einem ersten Schritt Überhangmandate neu mit Listenplätzen der Partei in anderen Ländern teilweise verrechnet. Das dürfte sich für die Union nachteilig auswirken, weil sie traditionell viele Direktmandate gewinnt. Für die anderen Parteien nachteilig wirkt sich aus, dass die ersten drei Überhangmandate nicht mehr durch Ausgleichsmandate kompensiert werden.