Worum geht es am online durchgeführten Parteitag der Grünen in Deutschland? Die Delegierten beraten das Wahlprogramm für die Bundestagswahlen im September. Co-Parteichefin Annalena Baerbock sprach gegenüber der ARD von «klimagerechten Wohlstand» und sagte im Hinblick auf heute: «Robert Habeck und ich kämpfen gemeinsam, um nach der Corona-Pandemie deutlich zu machen, dass wir in Zukunft in diesem Land über uns hinauswachsen.»
Wie wollen die Grünen den «klimagerechten Wohlstand» erreichen? SRF-Korrespondent Peter Voegeli hat das Parteiprogramm gelesen. Es umfasse «ein grosses Instrumentarium staatlicher Regelungen».«Die Grünen wollen zum Beispiel den CO2-Preis deutlich schneller erhöhen als die Bundesregierung», erklärt er. «Als Gegenleistung für die Mehrkosten sollen die Einnahmen als sogenanntes Energiegeld wieder zurückgezahlt werden.»
Klimaschutz solle möglich sein, ohne ein «Scheissleben» führen zu müssen, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter wortwörtlich. «Das ist das Versprechen der Grünen, das macht sie attraktiv. Ein gutes Leben mit einem guten Gewissen», so Voegeli. Andere Hebel seien die staatliche Förderung umweltfreundlicher Technologien und die Steuerung des Emissionshandels.
Was für Kosten kämen damit auf Deutschland zu? Die Partei will zusätzlich zu allen geplanten Investitionen jährlich 50 Milliarden Euro in die sogenannte klimagerechte Gesellschaft stecken. «Diese Investitionen sind natürlich enorm, aber wahrscheinlich auch nötig, das hat Corona gezeigt», sagt Voegeli. Dank niedriger Zinsen sei die Geldaufnahme so billig wie nie, sagen die Grünen. Allerdings müsste die Schuldenbremse gelockert werden, was eine Verfassungsänderung bedingt. «Dazu braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Parlament – und die ist derzeit nicht in Sicht.»
Welches Signal senden die Grünen an ihre Wählerschaft? Das Programm heisst «Deutschland. Alles ist drin», und laut dem Korrespondenten ist tatsächlich vieles drin: Klimaschutz, Digitalisierung statt Hartz IV, Sozialleistungen, eine sogenannte Garantiesicherung, das Recht auf einen Ganztagesplatz für Grundschulkinder und mehr Frauen in der Digitalwirtschaft. «Es ist so ein bisschen die beste aller Welten», so Voegeli. «Es erinnert an Bidens Pläne oder an Roosevelts New Deal in den 1930ern.»
Wo stehen die Grünen zurzeit in den Umfragen? Co-Parteichefin Baerbock ist offiziell Kanzlerkandidatin. Seit bekannt ist, dass sie ihren Lebenslauf aufgehübscht hat, ist sie in den Umfragen abgestürzt und hat auch die Partei mitgerissen. Die Grünen liegen aktuell bei 22 Prozent, die Union bei 28 Prozent. Die Schere ist also wieder aufgegangen. «Ich halte das für ein realistisches Bild, das vielleicht auch bei den Bundestagswahlen im September etwa so ausfallen könnte», sagt Peter Voegeli in Berlin.
Was sind die Erwartungen an diesen Parteitag? Es geht den Grünen darum, Einigkeit zu zeigen. Allerdings: Die Basis hat rund 3300 Änderungsanträge eingereicht, die das Programm verschärfen. «Das geht vom höheren CO2-Preis bis zum Verbot vom Ausbau von Autobahnen», so der Korrespondent. «Die grüne Spitze will das aber nicht so hinnehmen, weil sie Angst hat, dass sie dann nicht regierungsfähig sein wird. Sie will also ein gemässigtes Programm.» Wahrscheinlich werde die Parteibasis am Ende einschwenken, denn die Grünen wollen – sowohl Spitze als auch Basis – unbedingt regieren.