Gegen ihn laufe eine Hexenjagd. Ein übles Manöver, um ihn aus der Politik zu drängen. Deshalb trete er zurück, schreibt Boris Johnson. Was dieser als Hexenjagd bezeichnet, ist eine laufende parlamentarische Untersuchung. Mit dieser wird abgeklärt, ob der damalige Premierminister das Parlament in der Affäre um illegale Partys in der Downing Street während der Pandemie belogen hat.
Der Bericht ist fertig, soll happige Vorwürfe enthalten und bald publiziert werden. Offenbar hat Johnson bereits eine Zusammenfassung erhalten. Es könnte also gut sein, dass er dem Verdikt und einem möglichen Ausschluss aus dem Parlament zuvorkommen will. In den britischen Zeitungen ist heute der Satz zu lesen: «Er springt, bevor er gestossen wird.»
Die Drohung einer Rückkehr steht im Raum
Aus den Schlagzeilen wird Johnson jedoch wohl nicht so schnell verschwinden. Der umtriebige Politiker ist in seinem bisherigen Leben nicht unbedingt durch Demut und Zurückhaltung aufgefallen. Am Freitag hat BBC Radio4 abends eine Talksendung unterbrochen, um das Publikum über den überraschenden Rücktritt zu informieren.
Und wer das Rücktrittsschreiben genau liest, findet den Satz «Ich trete vorderhand zurück». Die Drohung einer Rückkehr steht also im Raum. Einige Kommentare ordnen den Rücktritt als das Ende seiner politischer Karriere ein. Doch wundersame Wiederauferstehungen sind fester Teil von Johnsons Biografie.
Mit dem Rücktritt aus dem britischen Parlament verliert Johnson zwar an unmittelbarem Einfluss im britischen Machtzentrum und verlässt die Bühne in Westminster. Aber Johnson ist ab heute wieder ungebunden. Parlamentarische Verhaltensregeln oder Fraktions-Disziplin gelten für ihn nicht mehr. Er ist gewissermassen ein freies Elektron, das Regierungschef Rishi Sunak allerhand Schaden zufügen kann.
Angriffe auf Parteikollege Sunak
Eine Kostprobe hat der frühere Premierminister bereits abgeliefert, in dem er im Rücktrittsschreiben erklärt, dass die Partei seit seinem Abgang in den Wählerumfragen nachweislich verloren habe und die Regierung keine echte konservative Politik mehr mache.
Solche Breitseiten werden den Zusammenhalt in der Partei und die Nerven von Premierminister Sunak künftig wohl noch verschiedentlich strapazieren. Dabei war bei den Tories eben erst ein bisschen Ruhe eingekehrt. Im vergangenen Jahr lieferte die konservative Regierungspartei eher die Fortsetzungsserien einer Seifenoper als gute Politik.
Ein Jahr vor den nächsten Wahlen sorgte Sunak wieder für Stabilität. Doch wenn Boris Johnson nun wieder dort steht, wo er am liebsten ist, nämlich im Mittelpunkt, wird dies in erster Linie die Opposition freuen.