- Stephen Breyer, Richter am Obersten US-Gericht, will nach Medienberichten vorzeitig seinen Posten räumen und so Platz machen für die Neubesetzung eines Sitzes am politisch umkämpften Supreme Court.
- US-Präsident Joe Biden bekäme damit zum erstem Mal in seiner Amtszeit die Möglichkeit, einen der neun höchst einflussreichen Sitze an dem Gericht nachzubesetzen.
Mehrere US-Medien, darunter die Sender NBC und CNN, berichteten unter Berufung auf das Umfeld Breyers, der 83-Jährige habe sich entschieden, in den Ruhestand zu gehen.
CNN berichtet, eine öffentliche Verkündung sei womöglich bereits am Donnerstag zu erwarten – gemeinsam mit Biden. Das Weisse Haus reagierte umgehend auf die Berichte, ohne jedoch inhaltlich darauf einzugehen. Sprecherin Jen Psaki schrieb bei Twitter, es sei schon immer die Entscheidung eines jeden Richters des Obersten Gerichtshofs gewesen, ob und wann er in den Ruhestand gehe und wie er dies bekannt gebe. Das gelte auch heute.
Von Breyer selbst gibt es vorerst keine offizielle Erklärung. Diverse hochrangige Politiker reagierten aber bereits auf dessen Rückzug und dankten ihm für seine Dienste am obersten US-Gericht. Biden selbst sagte am Rande eines Auftritts im Weissen Haus, er wolle sich erst dazu äussern, sobald Breyer eine Erklärung abgegeben habe.
Das Oberste US-Gericht stellt mit seinen Entscheidungen zu besonders strittigen Themen wie Abtreibung, Einwanderung oder gleichgeschlechtlichen Ehen immer wieder wichtige Weichen für die Gesellschaft. Die neun Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Ihre Auswahl ist daher ein hart umkämpfter politischer Prozess. Ex-Präsident Donald Trump und seine Republikaner im Senat konnten während Trumps Amtszeit drei Richter im Supreme Court platzieren, weswegen momentan sechs der neun Richter als konservativ gelten.
Breyer – der aktuell älteste der neun Richter – wird dem liberalen Lager zugerechnet. Er schätzt den Kompromiss, gilt als moderater Vermittler, tendiert aber eher nach links. Er war einst vom demokratischen Präsidenten Bill Clinton nominiert worden.
Keine Änderungen am Kräfteverhältnis
Die Nachbesetzung von Breyers Sitz unter dem demokratischen Präsidenten Biden wird damit nichts an dem Kräfteverhältnis von Konservativen und Liberalen am Gericht ändern. Doch progressive Aktivisten hatten Breyer gedrängt, vorzeitig abzutreten, um sicherzustellen, dass die Nachbesetzung in Bidens Amtszeit fällt – bevor die Demokraten bei der Kongresswahl im Herbst womöglich ihre Mehrheit im Senat verlieren könnten.
Die Richter für das Oberste Gericht werden vom Präsidenten nominiert, aber vom Senat ernannt. Dort haben die Demokraten aktuell nur eine hauchdünne Mehrheit, die ihnen bei der Kongresswahl im November abhandenkommen könnte. Die Zeit drängt für sie also.
Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, kündigte an, sobald eine Nominierung von Biden vorliege, werde im Justizausschuss «umgehend» eine Anhörung angesetzt, und die gesamte Kammer werde die Personalie im gebotenen Tempo prüfen und bestätigen.