Die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2023 in Australien und Neuseeland ist gestartet. Es wird der grösste Sportanlass sein in Australien seit den Olympischen Spielen in Sydney im Jahr 2000.
Alles zur FIFA Frauen-WM 2023
Die Weltmeisterschaft ist ein Meilenstein für den Frauenfussball in den Antipoden. Mit mehr als einer Million verkaufter Eintrittskarten wird sie eines der grössten eigenständigen Frauensportturniere aller Zeiten sein. Aber das Wachstum des Frauenfussballs sei hart erkämpft worden, schreibt die australische Sporthistorikerin Marion Stell.
Fussball als Randerscheinung
Die Akademikerin hat mithilfe vergilbter Zeitungsberichte die Genesis eines Sportes analysiert, der in Australien noch bis vor wenigen Jahren bestenfalls als Randerscheinung galt, im schlechtesten als Objekt für Spanner und Chauvinisten.
Stell analysierte Hunderte von Seiten von Sammelalben mit Zeitungsausschnitten zu Frauenfussballspielen. «Als ich genauer hinsah, fand ich sie konfrontierend und beunruhigend. Diese Alben enthielten Zeitungsausschnitte, die diese Frauen und den Sport herabsetzten, trivialisierten und sexualisierten», so die Historikerin.
Fragwürdige Sprüche gegenüber Frauen
Zwar spielten in Australien Frauen schon während und nach dem Ersten Weltkrieg Fussball, und der erste lokale Frauenbussballclub war bereits 1921 gegründet worden. Das erste offiziell anerkannte internationale Spiel zwischen den Frauenmannschaften Australiens und Neuseelands fand aber erst 1979 statt. «Es war ein Samstagnachmittag, es gab einen kleinen Bericht auf Seite 68 der Lokalzeitung – über den männlichen Schiedsrichter –, und etwa 200 Menschen waren anwesend», so Stell.
Ein Kommentator schrieb, er wolle ‹nach jedem Tor mit diesen hübschen kleinen Fussballerinnen schmusen›.
Was Journalisten in den 1970er-Jahren über Spielerinnen schrieben, fand sie schockierend, aber nicht überraschend. In der Presseberichterstattung sei es immer wieder um Themen wie Aussehen, Mode, Körperteile, sexuelle Attraktivität, angedeutete Sexualität und andere Anzüglichkeiten gegangen. Selbst ein neutraler Spielbericht sei mit Schlagzeilen wie «Wunderschöne Torjägerinnen» oder «Mode bei australischen Meisterschaften» versehen gewesen. Ein Kommentator schrieb, er wolle «nach jedem Tor mit diesen hübschen kleinen Fussballerinnen schmusen. Ich wäre durchaus bereit, als offizieller Trainer und Masseur zu fungieren.»
Höherer Stellenwert des Frauenfussballs
Solche Worte sind heute auch in der sonst oftmals groben australischen Sportberichterstattung kaum nachvollziehbar. Auch wenn es in gewissen Medien immer mal wieder verbale Ausrutscher gibt – die Einstellung der australischen Gesellschaft gegenüber dem Frauenfussball hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt.
Der Wert und die Qualität von Fussball allgemein werden stärker anerkannt, in einem Land, in dem traditionell Rugby und Cricket die Massen begeistern. Früher war «Soccer», wie Fussball auch genannt wird, primär die Domäne von – männlichen – Einwanderern aus Südeuropa und Südamerika, denen nicht selten Rassismus entgegenschlug, wenn sie sich in Rugby oder Cricket engagieren wollten.