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China vor einer neuen Ära Xi Jinping zementiert seine Macht

Es gibt keinen Zweifel daran, wer beim Parteikongress der Kommunistischen Partei Chinas im Rampenlicht stehen wird: Staats- und Parteichef Xi Jinping.

Generalsekretär der kommunistischen Partei, Oberbefehlshaber des Militärs, Staatspräsident, Vorsitzender diverser Gremien und Kommissionen – Xi Jinping hat offiziell über ein Dutzend Posten und eine Reihe von Titeln.

Seit vergangenem Jahr ist er zusätzlich «Kern der Kommunistischen Partei». Eine Ehre, die seinem Vorgänger an der Staatsspitze Hu Jintao nicht zuteil wurde.

Für den Shanghaier Politikwissenschaftler Chen Daoyin gehört Xi Jinping schon jetzt zu den mächtigsten Führern Chinas seit der Gründung der Volksrepublik 1949. Er gehöre in die Liga von Staatsgründer Mao Zedong und dem Reformer Deng Xiaoping, die beide China während je 30 Jahren geprägt hätten. «Mit Xi Jinping hat nun ein neuer Abschnitt begonnen, die Ära Xi», so der Politikprofessor.

19. Parteitag der chinesischen Kommunistischen Partei

Nicht nur Fliegen, auch Tiger bestrafen

Zu den Eckpfeilern seiner bisherigen Politik gehört die landesweite Anti-Korruptionskampagne: Xi Jinping versprach nicht nur die Fliegen, sondern auch die Tiger zu bestrafen. Sprich: Die Kampagne machte auch vor hohen Politikern und Beamten nicht halt. Beim korruptionsgeplagten chinesischen Volk ist dieser Kurs deshalb besonders beliebt.

Parteiinterne Gegner wie der frühere Parteichef von Chongqing Bo Xilai oder der gefürchtete oberste Sicherheitschef Zhou Yongkang entledigte sich Xi damit ebenfalls.

Die Botschaft an die Partei lautet, Personalentscheide werden von Xi selbst gefällt.
Autor: Chen Daoyin Politikwissenschaftler aus Shanghai

Erst kürzlich traf es den aufstrebenden Politiker Sun Zhengcai, der von vielen gar als möglicher Nachfolger von Xi gehandelt wurde. Im Sommer wurde er aus dem Verkehr gezogen – Sun soll gegen die Parteidisziplin verstossen haben. Inzwischen hat er auch seinen Sitz im einflussreichen Politbüro verloren. «Die Botschaft an die Partei lautet, Personalentscheide werden von Xi selbst gefällt», sagt Chen Daoyin.

Martin Aldrovandi

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Martin Aldrovandi ist seit 2016 Korrespondent für Radio SRF in Nordostasien mit Sitz in Schanghai. Zuvor hatte er mehrere Jahre lang als freier Journalist aus dem chinesischsprachigen Raum berichtet.

Mit der Reform des Militärs hat Xi Jinping auch die mächtige Volksbefreiungsarmee inzwischen fest im Griff. Dies zeigt sich auch an kleinen Details, wie etwa an der Militärparade in diesem Sommer zum 20. Jahrestag von Hongkongs Rückkehr zu China.

«Bisher grüssten die Soldaten an solchen Paraden mit ‹Kommandant›», so Chen Daoyin, «in Hongkong grüssten ihn die Soldaten plötzlich mit ‹Vorsitzender›.» Dies sei ein Signal an die Aussenwelt, dass Xi das Militär unter Kontrolle habe.

Schwere Zeiten für parteiinterne Gegner

Mit der vollständigen Kontrolle über das Militär und die Polizei werde es für Xis Gegner schwierig, ihn herauszufordern, sagt Willy Lam, Sinologe an der Chinese University in Hongkong. Lam beschäftigt sich intensiv mit Machtkämpfen innerhalb der kommunistischen Partei – zuletzt mit einem Buch über Xi Jinpings Politik.

Während Xi Jinping seinen Einfluss ausbaut, verlieren andere Gruppen in der Partei an Macht. So etwa die sogenannte Fraktion der kommunistischen Jugendliga unter Xis Vorgänger Hu Jintao. «Auch die einst einflussreiche Shanghai-Fraktion unter Ex-Präsident Jiang Zemin ist inzwischen völlig marginalisiert», sagt Lam.

Politik direkt von der Partei

Xi Jinping steht zudem mehreren sogenannten «zentrale Leitungsgruppen» der Partei vor (siehe untenstehende Infografik). Auch die Wirtschaftspolitik wird von Xi bestimmt – ein Bereich, der in vorherigen Regierungen dem Premierminister überlassen wurde.

Nach Mao Zedongs Personenkult setzte Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping auf eine kollektive Führung und dezentralisierte die Macht. Mit Xi Jinping werde diese Idee wieder rückgängig gemacht, so Willy Lam.

«Er verletzt das Prinzip der Trennung von Partei und Staat.» Chinas Zentral- und Lokalregierungen würden unter Xi auf Apparate reduziert, die bloss die Politik ausführten. «Die politischen Entscheide werden nun alle direkt von der Parteispitze unter Xi Jinping gefällt.»

Die Freiräume für kritische Stimmen werden in Zukunft noch weiter eingeengt.
Autor: Willy Lam Sinologe aus Hongkong

Unter Xi Jinping sind auch Chinas Medien unter starker Kontrolle – unvergessen etwa Xis Visite bei den Journalisten der grossen Staatsmedien. «Das Fernsehen heisst mit Nachnamen Partei» stand auf einem Plakat beim Empfang im Staatsender. Es sorgte über China hinaus für grosses Aufsehen. Von den Journalisten der Staatsmedien forderte Xi zudem öffentlich absolute Loyalität gegenüber der Partei.

Auch Inhalte von Filmen, TV-Serien und Online-Medien werden stärker kontrolliert – sie sollen sich weg von westlichen, und hin zu chinesischen und sozialistischen Werten bewegen. Das gilt auch für die Lehrmittel an den chinesischen Schulen. Aus Angst vor Verwestlichung der Schüler wurden sie unter der Regierung von Xi Jinping überarbeitet, mit einem stärkeren Fokus auf China und den Sozialismus.

Verhaftungswellen lassen mehr Repression befürchten

Nichtregierungsorganisationen sind bereits jetzt unter genauer Beobachtung, Universitäten ebenfalls. In Xis erste Amtszeit fiel auch die landesweite Verhaftungswelle von Anwälten und Menschenrechtsaktivisten. Für China bedeute dies nichts Gutes, so Willy Lam. Die Freiräume für kritische Stimmen würden in Zukunft noch weiter eingeengt.

Eine Abkehr von diesem Trend ist nicht abzusehen: Mit dem kommenden Parteikongress wird Xi Jinping versuchen, mehr Gefolgsleute in die Parteiführung zu holen, und in der zweiten Amtszeit seinen Einfluss weiter ausbauen.

Spekulationen über dritte Amtszeit

Noch vor Beginn Xis zweiter Amtszeit wird schon über eine dritte spekuliert. Ob es soweit kommt, ist unklar. Xi müsste dann mit einer inoffiziellen Parteiregel brechen.

Was wirklich passieren werde, lasse sich kaum vorhersagen, sagt die chinesische Politikprofessorin Zhu Jiangnan der Universität Hongkong. «Ein Regierungswechsel läuft in China ganz anders ab als in demokratischen Gesellschaften im Westen», so Zhu. «Die Person an der Spitze, kann entscheiden, ob sie die ganze Macht an einen Nachfolger auf einmal übergeben will oder nur einen Teil davon.»

Eine Möglichkeit ist etwa, den Vorsitz des Militärs zu behalten und somit weiterhin an der Macht zu bleiben, eine andere, einen loyalen Nachfolger aufzubauen, der die eigene Politik weiterführt.

Welchen Weg Xi Jinping auch wählen wird: die chinesische Politik wird er wohl weit über die zweite Amtszeit hinaus prägen.

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