Darum geht es: Die chinesische Regierung hat in Eigenregie den regimetreuen Guiseppe Shen Bin als neuen Bischof von Schanghai eingesetzt. Der Vatikan hat erst im Nachhinein davon erfahren und war nicht erfreut: Nach seiner Auffassung obliegt es allein dem Pontifex, Bischöfe zu ernennen. Aber der Vatikan hat den Bischof nachträglich anerkannt und teilt in einer knappen Mitteilung mit, man hoffe, dass die Entscheidung das nächste Mal nicht so einseitig gefällt werde. Das zeigt: Die katholische Kirche – und auch andere Religionen – geraten in China immer stärker unter Druck.
Dass der Vatikan von der Ernennung des Bischofs aus den Medien erfahren hat, spricht Bände.
Peking schert sich um Vertrag: Eigentlich gibt es ein Abkommen zwischen Peking und dem Vatikan, das der Kirchenführung in Rom ein Vetorecht bei der Ernennung eines Bischofs in China einräumt. Dieser würde demnach lediglich von Peking vorgeschlagen. «Doch der aktuelle Fall zeigt, dass das nicht funktioniert», sagt der in China lebende freie Journalist Fabian Kretschmer. Offenbar sei hinter den Kulissen ein Machtkampf zwischen Peking und dem Vatikan im Gange. «Dass die Kirchenführung von der Ernennung des Bischofs aus den Medien erfahren hat, spricht Bände», so Kretschmer.
Religion in China: Zwar gilt gemäss der Verfassung Religionsfreiheit – aber in sehr eingeschränktem Rahmen. Unter Staatspräsident Xi Jinping wurden religiöse Stätten umgestaltet: Es gibt keine grossen Kreuze, keine ausladenden Minarette mehr. Seit 2015 Jahren gibt es die grossangelegte Kampagne zur «Sinisierung» der Kirche – also zum Chinesischmachen. Religion soll sich dem Sozialismus anpassen. «Es geht um Ausübung von Kontrolle – und es betrifft alle Bereiche, die sich zivilrechtlich organisieren, wie zum Beispiel auch Umweltorganisationen», sagt der Journalist. Vor allem gegenüber Religionen verhalte sich das Regime «paranoid» – aus Angst, dort könnten sich Dissidenten organisieren.
Die Bischöfe müssen schwören, dass sie sich gegen jede Infiltrierung ausländischer Mächte wehren.
Die aktuelle Situation: In China leben gemäss offiziellen Angaben mindestens 40 Millionen Christen. Inzwischen gibt es in China zwei Arten von christlichen Kirchen. Einerseits ist da die offizielle, vom Staat überwachte, aber geduldete katholische Kirche. Deren Bischöfe müssen der politischen Führung Treueschwüre leisten. «Sie müssen etwa schwören, dass sie sich gegen jede Infiltrierung ausländischer Mächte wehren», sagt Kretschmer. Andererseits gibt es in China Christen im Untergrund. Sie versammeln sich in Privathäusern und werden von den Behörden als illegal bezeichnet. Sie fühlen sich nur dem Vatikan verpflichtet. Immer wieder werden manche von ihnen verhaftet, auch Priester.
Religiöse Chinesen: «Eigentlich wäre das Bedürfnis nach Spiritualität in China extrem gross», sagt Kretschmer. Die kommunistische Partei habe es nicht geschafft, ein Wertesystem aufzubauen. «Es ging immer nur um Wirtschaft und Wirtschaftswachstum. Das hat bei vielen Leuten ein Bedürfnis für Freiräume und Harmonie entstehen lassen.» Das Christentum habe dieses Bedürfnis vieler Chinesinnen und Chinesen nach moralischen Werten befriedigen können. Entsprechend stiegen die Zahlen der sich als Christinnen und Christen bezeichnenden Chinesinnen und Chinesen stetig an, so der Journalist.