Der Jubel ist gigantisch am 11. Februar 2011 auf dem Tahrir-Platz. Millionen Ägypter hoffen auf eine neue Ära. Nach 30 Jahren ist Husni Mubarak gestürzt. Vielerorts kehrt Ruhe und eine gewisse Normalität ein.
Die Macht übernimmt der Oberste Militärrat unter Führung von Verteidigungsminister und Armeechef Mohammed Hussein Tantawi. Doch schon bald entzündet sich Kritik an der weiterhin dominierenden Rolle des Militärs. Im November 2011 entfachen wieder landesweite Proteste. Die Polizei reagiert mit exzessiver Gewalt.
Erste freie Parlamentswahlen
Dann im Juni 2012 ist es soweit und Ägypten wählt – es sind die ersten freien Parlamentswahlen. Als Sieger geht die islamische-konservative Partei der Muslimbruderschaft hervor.
In den Augen der Opposition hat die Muslimbruderschaft unter der Führung von Mohammed Mursi die Revolution verraten. Mursi kann die Erwartungen des Volkes nicht erfüllen. Die Hoffnung schwindet schnell. Die Demokratie wird zur Verliererin. Bereits ein Jahr danach – Massenproteste, Mursi verschanzt sich und die Wirtschaft ist am Boden. Es gibt kaum noch Benzin und die Lebensmittelpreise haben sich vervielfacht.
Am 3. Juli folgte schliesslich die Absetzung des Präsidenten durch das Militär, das als Übergangsstaatschef den erst wenige Tage amtierenden Verfassungsgerichtspräsidenten Adli Mansur einsetzte. Dieser hat aber de facto wenig zu sagen. Das Militär führt bis auf weiteres die Geschäfte, allen voran der General Abd al-Fattah al-Sisi.
Ein grosser Teil der Ägypter begrüsst das durchaus. Nach der grossen Verunsicherung der vergangenen Monate, in denen nicht nur Ägyptens Wirtschaft litt, sondern auch die Sicherheitslage im Land immer schlechter wurde, wünschen sich viele Menschen Sicherheit, Wohlstand und eine Führungsfigur. Sisi könnte diese Wünsche bedienen.
Eine neue Führungsfigur
Ende Mai 2014 wird Abd al-Fattah al-Sisi zum Präsidenten gewählt. Ohne Konkurrenz macht er 97 Prozent der Stimmen. Mit harter Hand kann er regieren. Willkürliche Festnahmen, Gewalt und Unterdrückung von Andersdenkenden – all dies ist Teil seines Systems.
Für viele Ägypter stimmts. Nach seiner Wahl ist die Stimmung auf dem Tahrir-Platz wie nach einem Fussballspiel. Der damals 58-Jährige verkauft sich als moderner Anführer. Die politische Instabilität der vergangenen Jahre hat viele Ägypter schockiert. Für die Muslimbrüder ist die Wahl unfair. Sie konnten ihren freien Willen nicht ausdrücken und es kam zu Verhaftungswellen.
Die Vergangenheit kehrt zurück
Das Militär beschneidet in den folgenden Jahren die Freiheitsrechte massiv. Die namhaftesten Journalisten des Landes wurden inzwischen zum grössten Teil des Landes verwiesen oder zumindest vom Bildschirm genommen. Aber zahlreiche Ägypter unterstützten diesen Kurs. Hartes Durchgreifen sei notwendig für Stabilität und, so ist häufig zu hören, um Ägypten wieder stark zu machen.
Gleichzeitig sind zahlreiche Probleme des Landes ungelöst. Ägypten ist das nach wie vor wichtigste Land der arabischen Welt, vor allem wegen seiner Bevölkerungszahl von geschätzt 95 Millionen. Das Bevölkerungswachstum setzt die Wirtschaft unter Druck. Weite Bereiche sind international nicht konkurrenzfähig. Der Tourismus ist geschwächt. Eliten verlassen das Land auf der Suche nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen.
Und doch wird der ägyptische Präsident im April dieses Jahres wiedergewählt – erneut mit 97 Prozent.