Die schwedische Regierung will wieder Atomkraftwerke bauen können. Das hat Ministerpräsident Ulf Kristersson am Mittwoch angekündigt. Die Regierung werde dem Parlament einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorlegen, der bisherige rechtliche Hürden beseitigen soll.
Diese Hürden gehen auf eine Volksabstimmung von 1980 zurück: Damals hat Schweden entschieden, dass keine neuen Kernkraftwerke gebaut werden und die bestehenden nicht erneuert werden dürfen.
Ministerpräsident Kristersson sagte bei einer Medienkonferenz in Stockholm, es bestehe dringender Bedarf einer stark gesteigerten Stromproduktion in Schweden. Aus gutem Grund spare man derzeit Strom, langfristig brauche man aber viel mehr davon. So etwa für die Elektrifizierung der Industrie und des Verkehrs.
Positives Echo aus der Bevölkerung
«Das alles bedeutet, dass man bis 2050 doppelt so viel Strom produzieren muss wie heute», fasst Bruno Kaufmann, Nordeuropa-Korrespondent von SRF, zusammen. «Die Regierung ist der Ansicht, dass das nur mit mehr Atomkraft geht.» Dazu bringt sie auch den Klimaschutz ins Spiel: Ohne neue AKW seien die Klimaziele nämlich nicht zu erreichen.
Nach Meinungsumfragen finden die Argumente in der Bevölkerung Resonanz. Demnach spricht sich eine grosse Mehrheit der Schwedinnen und Schweden für neue AKW aus. Dies widerspiegle allerdings nur eine Grundsatzhaltung, relativiert Kaufmann. Denn sobald es um den Bau von Kernkraftwerken an neuen Standorten gehe, dürfte sich der Widerstand betroffener Gemeinden formieren.
Politische Linke will auf Windkraft setzen
Auch bei der Frage der Lagerung der Atomabfälle ist vieles offen. Im letzten Jahr wurde zwar entschieden, dass das erste Endlager für hoch radioaktive Abfälle in Forsmark im Norden Schwedens entstehen soll. «Dieses Endlager ist aber nur für die bisherigen AKW dimensioniert. Für neue Kernkraftwerke müsste ein neues oder erweitertes Endlager gebaut werden», erklärt Kaufmann.
Im Wahlkampf im Spätsommer letzten Jahres wehte der Wind noch aus einer anderen Richtung. Und zwar buchstäblich: Die damalige rot-grüne Regierung wollte den dänischen Weg gehen und den Ausbau der Windenergie massiv forcieren. «Die rechtsbürgerliche Opposition wollte dagegen den finnischen Weg beschreiten und auf neue AKW setzen», blickt Kaufmann zurück. Im Parlament hat die neue rechtsbürgerliche Regierung nun eine kleine Mehrheit und kann ihre Pläne vorantreiben.
Bau neuer Atomkraftwerke Zukunftsmusik
Spriessen in Schweden also bald neue AKW wie Pilze aus dem Boden? Der SRF-Korrespondent bezweifelt das. «Es ist zwar etwas wahrscheinlicher geworden, weil das bis anhin schlicht verboten war und das Gesetz wohl eine Mehrheit bekommt. Aber das heisst noch lange nicht, dass neue Kernkraftwerke gebaut werden.»
Denn dafür braucht es private Firmen, die investieren wollen. Zudem ist völlig offen, wie die politischen Verhältnisse in Schweden in ein paar Jahren aussehen. Kaufmann schliesst: «Von 0 Prozent ist die Wahrscheinlichkeit für den Bau neuer AKW auf ein paar wenige Prozent gestiegen.»