In den langen Jahren der italienischen Wirtschaftskrisen waren die öffentlichen Kassen oft gähnend leer – und so blieben viele Projekte zur Modernisierung des Landes liegen. Die Hochgeschwindigkeitszüge etwa fahren weiterhin nur bis Neapel, aber nicht bis Bari oder gar bis Palermo.
Und noch immer hat ein beträchtlicher Teil der italienischen Bevölkerung keinen Glasfaser-Anschluss, also kein schnelles Internet. Regelmässig verletzen sich auch Schülerinnen und Schüler, weil ihre Schulen baufällig sind, weil sich etwa ein Teil der Decke während des Unterrichts löst und ihnen auf die Köpfe fällt.
Ab Sommer rollen die Milliarden nach Italien
Dass Italiens Regierungen – linke wie rechte – zahlreiche und zentrale Projekte der Erneuerung nie zu Ende führten, begründeten sie oft mit dem fehlenden Geld. Doch nun wird dieses Argument hinfällig. Denn ab Sommer sollen von Brüssel her die ersten Milliarden in Richtung Rom rollen. Kein Land der EU erhält aus dem Corona-Wiederaufbau-Fonds mehr Gelder als Italien.
Noch nie hatte eine italienische Regierung einen so grossen Freiraum für Gestaltung, für Investitionen. Und trotzdem ist nicht ganz sicher, dass Italien nun tatsächlich den dringend nötigen Modernisierungsschub erlebt. Denn ein Nadelöhr, das bleibt die italienische Verwaltung. Es besteht die Gefahr, dass viele der nun finanzierten Projekte im Dickicht der Verwaltung durch rekursive und jahrelange Gerichtsverfahren oder durch behördliche Korruption blockiert und abgewürgt werden.
Draghi traut seiner Verwaltung nicht viel zu
Dafür ein Beispiel: Premierminister Mario Draghi hat die Pläne, wofür er die gegen 200 Milliarden Euro aus Brüssel ausgeben möchte, nur zum Teil mit seinen eigenen Beamtinnen und Beamten erarbeiten lassen. Draghi hat damit auch eine Privatfirma beauftragt, nämlich die Unternehmensberatung McKinsey. Dies ganz offensichtlich, weil er, der Chef der Regierung, diese Projektarbeit seiner eigenen Verwaltung nicht, oder nur zum Teil, zutraute.
Bis 2026 sollen die 200 Milliarden ausgegeben sein. Und zwischendurch will die EU-Kommission kontrollieren, ob bereits ausgezahltes Geld wirklich investiert wurde – sie will also zählbare Resultate sehen. Das wird für die italienische Verwaltung eine enorme Herausforderung sein. Italien weiss, dass die Chance, 200 Milliarden Euro innert weniger Jahre ausgeben zu können, einmalig ist.
Das weiss auch das italienische Parlament, das ab Montag über Draghis Pläne berät. Und vielleicht dürfte die Aussicht auf das viele Geld selbst die oft verkrustete und träge italienische Verwaltung dazu animieren, in die Gänge zu kommen. Es besteht Hoffnung, aber keine Gewissheit.