In Osteuropa lassen sich deutlich weniger Menschen gegen das Coronavirus impfen als in Westeuropa. Ein besonders sprechender Fall ist Bulgarien: Das Land ist Teil der Europäischen Union, Impfdosen gibt es also – wie in jedem EU-Land – genug. Und trotzdem haben sich bis jetzt weniger als 20 Prozent der Menschen in Bulgarien impfen lassen.
Bei der Suche nach Gründen könnte Teetrinken mit Bekannten in Bulgarien helfen. Allerdings ist das manchmal aufwühlend. Da erzählt zum Beispiel jemand, seine Mutter sei auf der Intensivstation eines staatlichen Spitals verstorben – weil der Strom ausgefallen war und es keinen Notstrom gab.
Im Spital landen möchte man in Bulgarien noch weniger als anderswo in Europa. Denn der bulgarische Staat sorgt nicht gut für die Gesundheit und Sicherheit der Menschen. Und so ist kaum jemand im Land erstaunt, dass in Bulgarien besonders viele mit Covid gestorben sind – gemessen an der Anzahl Infizierter.
Tiefe Impfquote
Erstaunlich ist hingegen, dass sich trotzdem viele Bulgarinnen und Bulgaren nicht gegen das Coronavirus impfen lassen wollen, nicht einmal jeder fünfte ist geimpft.
Erstaunlich ist das auch, weil im Osten Europas – auch in Bulgarien – sonst fleissig und widerspruchslos geimpft wird. Viele Impfungen für Kinder sind obligatorisch, ein Erbe des Kommunismus, in manchen Ländern des Ostens dürfen Ungeimpfte nicht einmal in den Kindergarten. Masern zum Beispiel gibt es in Osteuropa nicht mehr.
Es klingt paradox, aber genau dieser Erfolg des Impfens ist ein Grund, warum sich viele Menschen im Osten nicht mehr so bereitwillig impfen lassen: Umfragen zeigen, dass man in Osteuropa Impfungen schlicht für nicht mehr so wichtig hält. Dass die Menschen vergessen haben, wie es früher war, vor den Impfungen, als zum Beispiel die Diphtherie, dieser «Würgeengel der Kinder», wütete. Dass man sich plötzlich fragt: Lohnt sich der Aufwand für die Spritze?
Skeptische Ärzte
In Bulgarien kommt etwas Entscheidendes hinzu: Viele bulgarische Ärztinnen und Ärzte finden die Impfung gegen das Coronavirus unnötig. Sogar 70 Prozent der Ärzte seien dagegen, sagt ein ehemaliger Gesundheitsminister. Und ein Professor für Infektionskrankheiten, ausgerechnet der Chef des Covid-Spitals in der Hauptstadt Sofia, sät öffentlich Zweifel an der Wirksamkeit der Impfung.
Wahrscheinlich sind die Ärztinnen und Ärzte in Bulgarien vor allem deshalb skeptisch, weil auch sie der Staat im Stich lässt: Die meisten von ihnen sind private Unternehmer, sie müssen selber für Transport und Kühlung ihrer Impfdosen sorgen, vom Staat bekommen sie so wenig Geld fürs Impfen, dass es sich nicht lohnt. Statt der Impfung empfiehlt der Chef des Sofioter Covid-Spitals seinen Patienten übrigens Teetrinken gegen Covid, so aufwühlend das klingen mag.