Die Bilder der Corona-Krawalle in den Niederlanden gehen um die Welt. Brennende Autos, Plünderungen, Molotow-Cocktails und Steine fliegen durch die Luft. Die Polizei antwortet mit Tränengas, Wasserwerfern und Festnahmen. Schliesslich brennt ein Corona-Testzentrum – der symbolische Höhepunkt einer Nacht der Randale.
Am Tag danach geisselt Premier Mark Rutte die «kriminelle Gewalt». Uch SRF-Korrespondentin Elsbeth Gugger ist schockiert über die Gewalteskalation. Gugger lebt seit 30 Jahren in den Niederlanden.
«Es gibt hier immer mal wieder Krawalle. In dem Ausmass, so flächendeckend und zerstörerisch, habe ich das aber noch nie erlebt.»
Viele Jugendliche mussten ganz offenbar ihren Frust loswerden. Sie haben genug vom Drinnensitzen.
Ihren Anfang nahmen die Unruhen am Sonntagnachmittag. Verschiedene Gruppen protestierten in niederländischen Städten gegen die verschärften Corona-Massnahmen. Als die Polizei die zuvor verbotenen Demonstrationen auflösen wollte, eskalierte die Gewalt.
Auch in anderen europäischen Ländern gibt es regelmässige – mehr oder minder friedliche – Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen. Oft marschieren Menschen, die um ihre wirtschaftliche Existenz bangen, Seite an Seite mit zweifelhaften Gestalten.
Auch in den Niederlanden habe es sich zunächst um ein «Sammelsurium» von Demonstranten gehandelt, berichtet Gugger. «In Enschede im Süden des Landes und in Amsterdam reichte die Skala von Corona-Leugnern bis hin zu Impfgegnern.»
Die Krawallbrüder übernehmen
Mit Einbruch der Dunkelheit wandelte sich die Szenerie. «Zurück blieben viele Junge, die auf Krawall aus waren», so Gugger. «Die Palette reichte von Besoffenen, Zugekoksten bis zu bewaffneten Schlägertypen, oder wie einer der Bürgermeister sie nannte: ‹Corona-Hooligans›.»
Doch warum eskalierte die Gewalt ausgerechnet an diesem Wochenende? In den Niederlanden gab es seit Beginn der Pandemie wiederholt strenge Shutdowns. Guggers einfache wie einleuchtende Antwort: «Viele Jugendliche mussten ganz offenbar ihren Frust loswerden. Sie haben genug vom Drinnensitzen.»
Eskalation mit Ankündigung
Die abendliche Ausgangssperre brachte das Fass zum Überlaufen – in den sozialen Medien organisierte sich seit Tagen der Widerstand. «Schliesslich spielte noch etwas anderes mit», sagt Gugger. «Die Menschen in den Niederlanden mögen es nicht, wenn ihnen der Staat Auflagen macht.»
Und diese Auflagen haben es in sich. «Skifahren würde hier, wenn das in dem flachen Land überhaupt möglich wäre, absolut nicht drin liegen.»
Auch in den Niederlanden bleibt die Zahl der Neunansteckungen hoch. Die wissenschaftliche Taskforce der Regierung warnt vor «britischen Zuständen» bis Ende März, sollte sich die Corona-Mutation ungebremst ausbreiten. Die Ausgangssperre sei unumgänglich.
Die Parole im Land lautet «Durchhalten». Auch wenn Medien und Politik durchaus Verständnis für den Unmut der «Generation Corona» haben. «Die Ungewissheit, wie lange das alles noch dauert, ist frustrierend. Das macht viele einfach fertig», sagt Gugger. Und spricht damit vielen Menschen aus dem Herzen – nicht nur in den Niederlanden.