Die Penn Station ist wie ausgestorben – normalerweise verkehren im Hauptbahnhof von New York täglich über eine halbe Million Passagiere. Nun stehen in der Wartehalle bloss noch ein paar Dutzend Leute rum.
Immer weniger Leute pendeln. Die Leute gehen auf Distanz und pflegen das staatlich empfohlene «Social Distancing». Die Stassen sind wie leer gefegt. Die gelben Taxis warten am Strassenrand, keine Kunden sind in Sicht.
Die Strassenszenen muten bisweilen apokalyptisch an. Auf der Bowery, Downtown, stehen Obdachlose Schlange, um in einem Heim unterzukommen.
Desolat ist die Situation in Chinatown. Dort machten die ersten Läden schon vor der Ausrufung des Notstands dicht. An der U-Bahnstation Grand Street, wo normalerweise fast kein Durchkommen ist, preisen chinesische Marktleute vergeblich ihre Früchte an. Die Verkäufer tragen Mundschutz.
Neugierige Journalistinnen sind nicht willkommen. Kein Wunder, Asiaten und Asiatinnen in den USA berichten von Stigmatisierung wegen der Corona-Epidemie, die in China begann. Im Blumenladen um die Ecke welken die Rosen.
«Ich kann bald sogar die Zimmerpflanzen wegwerfen», sagt Lee, der Geschäftsbesitzer. Miete muss er trotzdem bezahlen. Chinatown hat unter dem wirtschaftlichen Folgen der Pandemie besonders zu leiden. Und das hat einen Grund.
«Als in China die Corona-Epidemie ausbrach, haben die Leute Chinatown gemieden, aus Angst sich anzustecken. Dabei ist das Risiko nicht grösser als in anderen Stadtteilen,» sagt Johanna.
Mit dem Hausbesitzer David diskutiert die New Yorkerin deutscher Herkunft die Lage. Dieser ist optimistisch. «Grippewellen gab es schon früher. Ein paar Wochen, und wir sind da durch.» Johanna ist besorgter: «Viele Leute flippen aus. Wir wissen ja nicht, wo ein Ende ist.» Sie lebt mit ihrer Familie in Chinatown.
Der Highschool-Schüler Tayo hat soeben im Park nebenan Basketball gespielt – alleine, aus Sicherheitsgründen. Er hat keine Angst vor dem Virus, will aber andere vor einer Ansteckung schützen. In New York sind inzwischen über 1000 Leute positiv getestet worden. Die öffentlichen Schulen in New York bleiben mindestens fünf Wochen geschlossen.
Seine Schwester Ayo hat nur ausnahmsweise die Wohnung verlassen. Nach einem Spanienaufenthalt befindet sich die Studentin in Selbst-Isolation.
Justine arbeitet im Lohnbüro eines Heimpflege-Unternehmens. Die Situation sei prekär. «Was geschieht mit den betagten Kunden und Kundinnen, wenn sich niemand mehr um sie kümmert?», fragt sie. Das Pflegepersonal arbeitet zu Tiefstlöhnen und kann es sich nicht leisten, krank zu werden. Das kann tödliche Konsequenzen haben.
Robin arbeitet als Krankenschwester in einer medizinischen Klinik, wo es bloss ein Isolationszimmer gibt. Bei der Aufnahme von Patientinnen werde immer noch die Frage gestellt, ob man kürzlich aus dem Ausland angereist sei, berichtet sie. Dabei macht sich das Virus schon längst in den USA breit.
Ein neuer Tag bricht über Manhattan an. Aber nichts ist so, wie es noch vor einer Woche war. Und niemand weiss, wie lange der Corona-Shutdown noch dauern wird.