Die grösste Spezialklinik für Patienten mit Covid-19 wurde Ende März eröffnet. «Möge Gott uns helfen, dass nicht alle Hilfe benötigt wird, die wir hier zur Verfügung stellen. Aber wenn es so sein sollte, dann ist dieses Spital bereit!», lobte Moskaus Bürgermeister, Sergej Sobjanin, bei seinem Besuch vor Ort die Kapazitäten dieser Klinik.
Ganze 1300 Betten könne diese Klinik bieten – im Notfall könne man sogar bis auf 1450 ausbauen. Doch laut den aktuellsten Zahlen sind bereits jetzt 1427 Patienten in dieser Klinik mit einer Lungenentzündung hospitalisiert worden. Dies bedeutet, dass innerhalb kürzester Zeit alle Betten in der grössten Klinik Russlands belegt sein dürften. Doch der Höhepunkt der Krise wird frühestens Ende April erwartet. Unter diesen Umständen erstaunt es wenig, dass seit Mitte dieser Woche vor der Klinik zusätzlich provisorische Unterkünfte für Covid-19 Patienten gebaut werden.
Unwiderruflicher Zerfall
Nötig wurden diese Ausbaumassnahmen dermassen schnell wegen des Missmanagements der vergangenen Jahre, so die Sicht unabhängiger Ärzteorganisationen. «Die Epidemie macht Probleme im russischen Gesundheitssystem sichtbar, welche sich während Jahren angestaut haben.», erzählt Arzt Semjon Galperin gegenüber SRF.
Seit 2012 wurde das Gesundheitswesen im Land praktisch zerstört.
Im Zuge von Reformen zur Optimierung des Gesundheitswesens wurden in Moskau 28 medizinische Einrichtungen geschlossen, darunter auch 15 Spitäler. Insgesamt verlor die Stadt mehr als 60 Prozent aller verfügbaren Spitalbetten. In der aktuellen Krise versucht man nun händeringend eine möglichst grosse Zahl an Betten so schnell als möglich verfügbar zu machen. Gleichzeitig findet man selbst mitten im Zentrum von Moskau ehemalige Spitäler, die seit der Schliessung vor wenigen Jahren vollständig dem Zerfall überlassen werden.
Unbekannte Dunkelziffer
Selbst wenn es gelingen sollte, die rund 50'000 Betten, die voraussichtlich Ende des Monats in der russischen Hauptstadt fehlen werden, noch herzurichten, so ist es damit aus Sicht der kritischen Ärzteorganisationen damit längst noch nicht getan. «Woher wollen wir die Leute nehmen, welche die Beatmungsgeräte bedienen können? Wir wissen, dass wir gerade bei den Anästhesisten ein grosses Defizit haben. Es gibt sie schlicht nicht.» Das tatsächliche Defizit an Spezialisten wie Anästhesisten ist ebenso unbekannt wie die Zahl der tatsächlich funktionierenden Beatmungsgeräte. Klar scheint jedoch, dass die härtesten Zeiten in der russischen Hauptstadt erst noch bevorstehen.