Ministertreffen und Gipfeltreffen jagen einander in diesen Tagen: Sondergipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten, G7-Aussenministertreffen, G20-Gipfeltreffen, dazu unzählige EU-Spitzentreffen. Allesamt virtuell per Video. Und, was weit schwerer wiegt, allesamt mit enttäuschenden Resultaten. Selbst die Corona-Krise bewog bisher die Regierungen der Welt nicht zum Schulterschluss. Trotz dramatischer Appelle des UNO-Generalsekretärs.
Es ist nicht der erste, nicht der zweite, sondern mindestens der dritte Hilferuf von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres innerhalb weniger Tage. Das Coronavirus sei für die Welt eine noch nie dagewesene Bedrohung, sagt er und ergänzt: Es genüge nicht, wenn jedes Land für sich allein handle. Nur gemeinsam habe die Menschheit eine Chance, die Pandemie zu besiegen. Guterres verbindet seinen Appell mit der Forderung nach einem Nothilfefonds von zwei Milliarden Dollar für die ärmsten Länder, für jene also, die allein keine Chance haben, der Herausforderung zu trotzen.
Dass diese Mittel so rasch wie nötig fliessen, ist unwahrscheinlich. Zumindest, wenn der Appell der Weltgesundheitsorganisation WHO vor wenigen Wochen ein Massstab ist: Bloss ein Bruchteil der darin geforderten 675 Millionen kam zusammen. Und die USA beispielsweise haben soeben ihre Hilfe für Afghanistan nicht etwa aufgestockt, sondern um eine Milliarde gekürzt.
Nationale Alleingänge
Zwar ist die Corona-Krise gravierend und weltumspannend. Doch all jene, die damit rechneten, sie werde zu einer Renaissance der internationalen Zusammenarbeit führen nach dem Motto, «wann, wenn nicht jetzt!», sind enttäuscht. Der länderübergreifende Schulterschluss findet vorläufig nicht statt.
Der deutsche Aussenminister Heiko Maas beklagte heute vielmehr eine «Spirale des Egoismus» und fordert, es dürfe nicht sein, dass Massnahmen einzelner Regierungen die Krise zusätzlich verschärften. Er meint damit nationale Alleingänge, Grenzschliessungen, die Abkehr von Freihandelsregeln und gegenseitige Anschuldigungen. Gehör finden solche Stimmen zurzeit kaum.
Obschon dieses Jahr die USA den Vorsitz der G7-Staaten haben, war es nicht «America-First»-Präsident Donald Trump, vielmehr sein französischer Amtskollege Emmanuel Macron, der vorige Woche dafür sorgte, dass sich die G7-Staats- und Regierungschefs wenigstens auf einer Videokonferenz austauschten. Sie gebar ein dürres Kommuniqué voller Plattitüden.
Läppische Differenzen
Beim G7-Aussenministertreffen wiederum stritt man dem Vernehmen nach lange darüber, wie das Virus zu bezeichnen sei. Die Amerikaner verlangten, es müsse Wuhan-Virus oder chinesisches Virus heissen. Die übrigen G7-Länder lehnen diese Wortwahl ab. Auch wegen dieser läppischen Differenz endete das Aussenministertreffen mit einem Nullergebnis. Ähnlich bescheiden sind die Erwartungen an die G20-Video-Gipfelkonferenz diesen Donnerstag, an der als Gast auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga teilnimmt.
An der Spitze gleich mehrerer G20-Staaten stehen derzeit Männer, die nach wie vor die Corona-Gefahr gravierend unterschätzen oder gar leugnen: In Brasilien, in Mexiko, in den USA, in Russland. Und die beiden Weltmächte China und die USA behindern eine schnelle, effiziente Zusammenarbeit. Sie hören nicht auf mit gegenseitigen Vorwürfen. Von nötiger und konkreter Zusammenarbeit, vom Begraben des Kriegsbeils, wenigstens bis die Corona-Pandemie eingedämmt ist, hört man wenig bis nichts.
Egoistisch und nationalistisch
Anders als während der Finanzkrise 2008, als der grosse grenzüberschreitende Effort gelang, verfehlt diesmal der Corona-Schock die heilsame Wirkung. Zu egoistisch und nationalistisch handeln etliche Regierungschefs. Zu wenig Gewicht haben inzwischen traditionelle Anhänger gemeinsamer Lösungen wie die deutsche Bundeskanzlerin oder der kanadische Premierminister.
Kommt es in den nächsten Tagen nicht doch noch zu einem Umbesinnen, bleibt die bittere Erkenntnis: Es sind schlechte Zeiten für die multilaterale Zusammenarbeit. Ausgerechnet jetzt, da sie so dringlich und so zwingend wäre wie seit Jahrzehnten nicht mehr.