- Eine Tiroler Expertenkommission hat zum Corona-Management im März im Skiort Ischgl ihren Untersuchungsbericht vorgelegt.
- Die Kommission kommt zum Schluss, dass Fehler und Fehleinschätzungen im Umgang mit dem Coronavirus passiert sind.
- Im österreichischen Winterferien-Ort Ischgl hatten sich im März mehrere tausend Feriengäste mit dem Coronavirus infiziert. Sie trugen das Virus dann weiter in über 40 Nationen.
Etwas Licht und viel Schatten: Das ist die Bilanz der Expertenkommission zum Fall Ischgl. Es seien Fehler passiert, aber kein generelles Versagen der Behörden und der Politik zu konstatieren, sagte der Kommissionsvorsitzende Ronald Rohrer in Innsbruck.
So sei der Betrieb der Skibusse und der Seilbahnen mindestens einen Tag später als erforderlich eingestellt worden. Auf lokaler Ebene sei es dabei zu einer «Pflichtverletzung» gekommen, weil die Verordnung der Bezirksbehörde nicht unverzüglich an der Amtstafel des Orts veröffentlicht worden sei.
Kritik: Kein Evakuierungsplan
Auch die Verkündung der Quarantäne über das Paznauntal durch Bundeskanzler Sebastian Kurz am 13. März hätte aus Sicht der Expertenkommission besser vorbereitet werden müssen. Es habe panikartige Reaktionen bei den vielen ausländischen Gästen gegeben, die in Windeseile versucht hätten, die Region zu verlassen.
Es habe an der sofortigen Information an die Touristen gefehlt, dass sie über das Wochenende «gestaffelt und kontrolliert» abreisen sollten. Die Urlauber hätten wegen der drohenden Quarantäne und der Polizeikontrollen ihre Hotelzimmer teils unter Zurücklassen von Gepäck verlassen.
Ausserdem habe es keinen Evakuierungsplan gegeben, kritisierte Rohrer. Es hätte schon viel früher ein Konzept entwickelt werden müssen, «wie man diese engen Täler leer bekommt», sagte Rohrer.
Keine Verzögerung aus Profitgründen
Für einen oft kolportierten Einfluss der Tourismus- und Seilbahnwirtschaft auf die Entscheidungen der Behörden gebe es aber keine Anhaltspunkte. Alle Befragten hätten dies entschieden zurückgewiesen. Als positiv und angemessen wertete die Kommission die anfängliche Reaktion der Behörden nach Bekanntwerden der ersten Fälle mit Bezug zu Ischgl um den 3. März.
Die Kommission hatte für den Bericht insgesamt 53 Menschen befragt, darunter Betroffene, Vertreter der Seilbahn- und der Tourismuswirtschaft sowie Verantwortliche auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene. Der 1600-Einwohner-Ort in Tirol gilt nicht zuletzt wegen der dortigen Feiern beim Après-Ski als einer der Hotspots bei der Verbreitung des Coronavirus in Teilen Europas.
Tausende Infektionen?
Bei einem Verbraucherschutzverein, der die Interessen der Geschädigten vertreten will, haben sich inzwischen mehr als 6000 Tirol-Urlauber aus 45 Staaten gemeldet. Tausende Corona-Infektionen in Europa sollen auf Menschen zurückzuführen sein, die in Tirol Urlaub gemacht haben. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt gegen vier Verdächtige wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten.