Verkaufte Russland zu Beginn der Pandemie noch Beatmungsgeräte an die USA, sind die umgekehrten Lieferungen an Moskau nun umsonst. Die Geräte werden in Russland dringend benötigt. Auch wenn Präsident Putin vor wenigen Tagen erklärte, das Land habe die schlimmsten Tage der Pandemie hinter sich, kämpfen zahlreiche Regionen des Landes mit täglich steigenden Infektionszahlen.
Das Schweigen der Ärzte
Beatmungsgeräte, die kürzlich in Russland produziert wurden, sind vorübergehend ausser Betrieb genommen worden – nachdem zweimal innert weniger Tage Feuer auf Intensivstationen mit Covid-19 Patienten ausgebrochen war und dabei sieben Patienten ums Leben kamen.
Bilder vom Brand in Moskau wurden von einem Arzt auf Instagram geteilt. In der Zwischenzeit hat der Arzt die Bilder gelöscht und auf eine Anfrage von SRF nicht geantwortet. Während der Pandemie wurde es für Medien in Russland grundsätzlich schwieriger, mit Ärztinnen und Ärzten zu sprechen. Viele fürchten, ihre Stelle zu verlieren, und möchten sich deswegen nicht öffentlich äussern.
Mutmassliche Produktionsmängel
Bei beiden Bränden wird als Ursache ein Beatmungsgerät des Typs «Awenta M» vermutet. Hergestellt wird es in der russischen Stadt Jekaterinburg von einem Tochterunternehmen der staatlichen Gesellschaft «Rostec». Dessen CEO, Sergei Tschemesow, ist ein Freund von Präsident Putin. Im April hatte das Unternehmen die Produktion von Beatmungsgeräten verzehnfacht, um auf die gestiegene Nachfrage zu reagieren.
Auf Anfrage von SRF um eine Stellungnahme reagierte das Unternehmen nicht. Gegenüber russischen Medien hatte die Firma zuvor allerdings bestätigt, dass wenige Wochen vorher an beide Spitäler Beatmungsgeräte geliefert worden seien.
Kritik an staatlicher Importpolitik
Aus Sicht des Anästhesisten und Leiter einer Covid-19 Intensivstation in Moskau, Alexei Erlich, sind die Wurzeln des Problems in der Politik zu suchen: «Als Reaktion auf die Sanktionen aus dem Westen gegenüber mehreren russischen Firmen hat die Regierung ihre Importpolitik verändert. Russischen Herstellern muss nun per Gesetz in mehreren Bereichen der Vorzug gegeben werden. Davon sind auch Beatmungsgeräte betroffenen.»
Ob tatsächlich fehlende Konkurrenz den Ausschlag gegeben hat für fehlerhafte Geräte, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Ein Arzt aus St. Petersburg äusserte sich anonym in einer russischen Zeitung: «Die Beatmungsgeräte, die in Russland hergestellt werden, haben nicht eine besondere Schwachstelle, sondern sind insgesamt von niedriger Qualität. «Awenta M» steht zu einem Gerät von «Hamilton» wie ein Sowjetauto zu einem Mercedes.»
Langfristige Schwierigkeiten
In den Tagen nach den tödlichen Feuern herrschte der Eindruck, als käme es zu einer Untersuchung. Dazu werden indes kritische Stimmen lauter. Zu den Kritikern gehört auch Anästhesist Alexei Erlich: «Meist finden bei uns keine sauberen Untersuchungen statt, und es mehreren sich bereits die Anzeichen, dass auch diese Fälle nicht aufgeklärt werden.» Die humanitäre Hilfe aus den USA kann den Krankenhäusern kurzfristig ein wenig Luft verschaffen, doch die tieferliegenden Probleme mit Russlands Beatmungsgeräten sind damit nicht aus der Welt geschafft.