«Niemand kann heute mit gutem Gewissen sagen, er wisse, wie lange diese schwere Zeit anhält. Ich muss Sie bitten: Seien Sie geduldig», sagte die Kanzlerin am Wochenende. Ein Danach scheint es nicht zu geben, für diese Diskussion sei es zu früh, so Merkel. Es ist diese Ungewissheit, die den Menschen zu schaffen macht.
Für «falsch» hält das Armin Laschet, Bewerber für den CDU-Parteivorsitz und die Kanzlerschaft. Er ist Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, das mit besonders vielen Corona-Fällen kämpft. In einem Zeitungsinterview fordert er eine öffentliche Diskussion darüber, wie medizinische, soziale, psychologische, ethische und wirtschaftliche Folgen abgewogen werden könnten. Dies brauche Zeit, «deshalb muss jetzt damit begonnen werden», so Armin Laschet.
Rezession unausweichlich
Solche Abwägungen hält SPD-Finanzminister Olaf Scholz für «unerträglich». Alleine medizinische Kriterien dürften in der Corona-Krise ausschlaggebend sein. Er rate allen dringen davon ab, eine Lockerung an wirtschaftliche Fragen zu knüpfen.
Laut führenden Ökonomen des Landes ist eine Rezession ohnehin unausweichlich. Von einem Einbruch um bis zu 20 Prozent oder mehr ist die Rede. Plausibel, wenn das Leben praktisch stillsteht und dies über Wochen oder gar Monate. Doch nicht nur Ökonomen warnen.
Massnahmen schlimmer als das Virus selbst?
Auch der renommierte Epidemiologe Gérard Krause befürchtet, die Massnahmen gegen das Virus könnten möglicherweise zu mehr Toten führen als die Krankheit selbst. Arbeitslosigkeit, Depression, mangelnde Bewegung, Suchtprobleme und häusliche Gewalt – dies alles seien Konsequenzen, die mit in die Gleichung aufgenommen werden müssten.
Krause plädiert dafür, Risikogruppen gezielter zu schützen und pauschale Massnahmen frühzeitig herunterzufahren. Es werde in jedem Fall zu einer erhöhten Anzahl Todesfälle kommen, sagte er dem ZDF. Auch das Robert-Koch-Institut, das für die Bundesregierung die Krankheit überwacht, befürchtet, dass es in Deutschland zu italienischen Verhältnissen kommen könnte.
Angst um die eigene Gesundheit, finanzielle Sorgen, familiäre Probleme und die absolute Ungewissheit, wie lange das alles andauern wird: Bereits jetzt halten es viele nicht mehr aus und setzen sich über die Ausgangsbeschränkungen hinweg. Hunderte Verzeigungen gab es übers Wochenende in Deutschland. Wie lange kann das gutgehen?
Wir müssen als Gesellschaft verstehen, dass es Naturereignisse gibt, die man nicht komplett ungeschehen machen kann.
«Noch geben uns die täglichen Zahlen der Neuinfektionen leider keinen Grund, nachzulassen oder die Regeln zu lockern», sagte die Kanzlerin in einer Audio-Botschaft aus der häuslichen Quarantäne. Dabei würde eine Diskussion über das «Wie weiter?» zumindest der Ohnmacht etwas entgegensetzen.
Ethische Fragen werden sich zwangsläufig stellen. Und Politiker dürfte eine breit abgestützte Diskussion darüber ein Stück der schweren Last abnehmen – wenn sie diese denn zulassen. Für Professor Gérard Krause ist klar: «Wir müssen als Gesellschaft verstehen, dass es Naturereignisse gibt, die man nicht komplett ungeschehen machen kann.»