Rüstungsausgaben spiegeln zweierlei: Zum einen das Bedrohungsgefühl. Zum andern die Entwicklung des Wohlstandes eines Landes. Wer Angst hat und es sich leisten kann, kauft Waffen.
In den vergangenen Jahren nahmen Angst und Unsicherheit in vielen Teilen der Welt zu. Nach einer Phase der Beruhigung am Ende des Kalten Krieges gibt es wieder mehr kriegerische Konflikte.
«Friedensdividende» aufgebraucht?
Der alte Ost-West-Konflikt zwischen Moskau und Washington wurde spätestens mit der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim wiederbelebt. Zugleich zeichnet sich eine neue Supermachtrivalität zwischen China und den USA ab: ideologisch, wirtschaftlich, aber zunehmend auch militärisch.
Von einer sogenannten «Friedensdividende», von Kürzungen der Wehretats, wie sie nach dem Fall der Berliner Mauer und bis vor einigen Jahren vor allem in westlichen Ländern üblich waren, ist keine Rede mehr.
Aufstrebende Mächte wie China und Indien haben sich daran ohnehin nie beteiligt. Die Führung in Peking rüstet vielmehr seit einem Vierteljahrhundert kräftig auf. Zumal man sich das finanziell leisten kann. Indien setzte sich zeitweilig sogar an die Spitze der Waffenimporteure. Enorm wuchsen die Militärausgaben auch im Nahen Osten, in den reichen Golfstaaten. Aber ebenso in Südostasien. In beiden Regionen herrschen politische Spannungen.
Die Schweiz macht mit
Seit einigen Jahren wächst offenkundig auch das Unsicherheitsgefühl in Europa wieder. Zunächst waren es osteuropäische Staaten, die mehr in ihre Streitkräfte investierten. Inzwischen tun das auch zahlreiche westeuropäische. Darunter die Schweiz.
Viel sprach noch vor wenigen Wochen dafür, dass die Militärausgaben kräftig weiterwachsen würden. Der Eindruck, dass sicherheitspolitische Gefahren zunehmen, herrscht weiterhin. Ebenso lief es wirtschaftlich rund. Die Waffenlieferanten konnten sich die Hände reiben. Auch die Nato-Führung äusserte sich hochzufrieden, dass das «Zwei-Prozent-Ziel» in greifbare Nähe rückt. Will heissen: Zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für die Verteidigung.
Doch nun werden all die Kalkulationen nichtig. Prioritäten dürften neu gesetzt werden. Die Coronakrise wirft auch die Sicherheitspolitik über den Haufen. Wenn zahllose Länder ungeplant und ausser Budget zig Milliarden ausgeben müssen, um ihre Wirtschaft vor dem Kollaps zu bewahren und Massenarmut und -arbeitslosigkeit zu bekämpfen, dann kommen auch die Militärhaushalte nicht ungeschoren davon. Manche Länder, die Golfstaaten etwa oder Russland, zwingt zudem der rekordtiefe Ölpreis zum Innehalten.
Den gemeinsamen Feind gibt es nicht
Geringe Rüstungsausgaben, weniger militärische Konfrontationen, weniger Gefahr: Diese Gleichung scheint plausibel, aber sie geht nicht auf. Vorläufig deutet nichts darauf hin, dass die weltumspannende Coronakrise zu einem Schulterschluss zwischen verfeindeten Ländern führt.
UNO-Generalsekretär Guterres ruft zwar zu einer weltweiten Waffenruhe auf – damit sich die Staaten auf einen einzigen Krieg konzentrieren können, auf jenen gegen das Virus. Bloss das passiert nicht. Die internationale Kooperation scheint nicht gestärkt, sondern geschwächt aus der Pandemie hervorzugehen. Das heisst: Die Spannungen bleiben hoch. Regierungen stehen wegen der Krise zusätzlich unter Druck. Manche dürften den innenpolitischen Unmut ablenken wollen auf die Aussenpolitik, indem sie äussere Feindbilder beschwören.
All das ist nicht die Rezeptur für eine friedlichere Welt. Selbst dann nicht, wenn die Waffenarsenale 2020 und in den Folgejahren zusammengespart werden.