Von wegen sprichwörtliche dänische Gemütlichkeit. Davon ist zurzeit wenig zu spüren am Hauptbahnhof von Kopenhagen. Ein in der dänischen Hauptstadt gestrandeter syrischer Flüchtling, der eigentlich nach Schweden weiterreisen wollte, klagt lautstark über sein Los. Derweil eilen die Bürger des EU-Mitgliedsstaats zum Abstimmungslokal, um per Stimmzettel zu entscheiden, ob das eigene Land im Bereich der Justiz- und Polizeiarbeit enger mit der Europäischen Union kooperieren soll oder nicht.
Bislang hielt sich das Königreich dieser Zusammenarbeit fern, weil es vor über 20 Jahren in einer Volksabstimmung Nein zum Maastrichter Vertrag gesagt hatte – und im Nachzug dazu in verschiedenen besonders kritischen Politikbereichen eine Ausnahmeregelung zugestanden erhielt.
In einem Bereich hat diese Ausnahmebestimmung nun aber überlebt. Davon ist die liberale Regierung, und mit ihr andere Parteien im dänischen Parlament, überzeugt. Justizminister Søren Pind sagt: «Die Herausforderungen bei der Kriminalitätsbekämpfung sind heute ganz klar grenzüberschreitend. Deshalb wollen wir künftig voll bei der EU-Polizeizusammenarbeit, Europol, mitmachen können», betont Pind.
Mehr oder weniger Europa?
Doch die Vorlage, über die heute abgestimmt wird, geht weit über die Beteiligung an Europol hinaus. Denn insgesamt will sich Dänemark in nicht weniger als 22 Bereichen der Polizei- und Justizzusammenarbeit unter den übernationalen EU-Schutzschild begeben. Das Land hofft auf diesem Weg, etwa den Menschenschmuggel und die Kinderpornographie besser bekämpfen zu können.
Das ist für den rechtskonservativen Wortführer der Gegner, Morten Messerschmidt, viel zu viel: «Wir müssen uns heute fragen, ob wir noch mehr Souveränität nach Brüssel abgeben wollen, oder auch weiterhin eigenständig bleiben wollen», betont Messerschmidt. Er bezeichnete die Abstimmung auch als Wegwahl zwischen Merkels «mehr Europa» oder Camerons «weniger EU».
An den politischen Rändern brodelt es
Sowohl die rechtspopulistische Dänische Volkspartei wie auch die postkommunistische Einheitsliste setzen sich für ein Nein zu Europa ein, während fast alle anderen Parteien für ein Ja plädieren. Bei einem Nein könnte sich der liberale Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen überlegen, tatsächlich dem britischen Vorbild zu folgen – und eine Volksabstimmung über den Verbleib in der EU anzuordnen.
In diesem Kontext überraschte es nicht, dass der Abstimmungskampf über die eigentlich eher technische und komplizierte Vorlage hochemotional geführt wurde. Dies machte wie ein hart geführtes Meinungsgefecht zwischen den beiden Wortführern der Ja- und Nein-Kampagne vor ein paar Tagen deutlich.
Laut Meinungsumfragen zeichnet sich ein sehr knapper Ausgang ab. Wie die Dänen an der Urne entschieden haben, wissen wir am Freitagmorgen.