In einer unverkennbaren Anspielung auf Winston Churchills denkwürdige Durchhalteparole in einer dunklen Stunde des Zweiten Weltkrieges wird die heutige Besiegelung des britischen Scheidungsabkommens gerne als «Ende des Anfangs» bezeichnet. Als Auftakt für die eigentlichen Verhandlungen über das künftige Verhältnis. Da schwingt Optimismus mit, denn Churchill lieferte bekanntlich zu guter Letzt den Sieg.
Erklärung bleibt fadenscheinig
Allein, dem heutigen Anlass haftet der Ruch der Vergeblichkeit an. Ja, es stimmt: Die britische Regierung und die EU-27 haben sich geeinigt. Ja, es stimmt: Premierministerin Theresa May hat ein massgeschneidertes Produkt erhalten, obwohl Brüssel anfänglich nur Modelle «von der Stange» anbot, also Verträge, wie sie Norwegen oder Kanada bereits haben.
Inhaltlich konnte letztlich keine Einigung über die Grundzüge des künftigen Verhältnisses erzielt werden. Die entsprechende Erklärung bleibt vieldeutig und fadenscheinig. Ganz anders die 585 Seiten des Scheidungsabkommens. Das ist ein internationaler Vertrag, der das Vereinigte Königreich für mehrere Jahre als Empfängerin von Vorschriften ohne Mitbestimmungsrechte an die EU fesselt.
England bleibt gespalten
Das britische Versprechen, die irische Grenze unsichtbar zu gestalten, erwies sich als Achse, um die sich die ganze Einigung drehte. Die ursprünglichen Verhandlungsziele von Theresa May mussten zu diesem Zweck nachhaltig verbogen und verschleiert werden.
Die Einigung mit Brüssel kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die andere, weit kompliziertere Verhandlung – jene innerhalb der Konservativen Partei in Westminster – gescheitert ist. Theresa Mays Kabinett bleibt gespalten, ihre Fraktion im Unterhaus bleibt gespalten, England bleibt gespalten.
Niemand weiss, was kommt
Dieses Verhandlungspaket, das heute in Brüssel wehmütig gutgeheissen wurde, wird in rund zwei Wochen keine Mehrheit im Unterhaus finden. Es ist bereits Makulatur, toxisch in den Augen von pro- und anti-europäischen Gruppierungen. Daher der Ruch der Vergeblichkeit.
Niemand weiss, was nachher kommt. Das Unterhaus wird versuchen, den schädlichen Absturz in den vertragslosen Zustand zu verhindern. Mit Neuwahlen, mit einem zweiten Referendum, mit der Flucht in einen noch weicheren Brexit nach norwegischem Muster? Alles ist denkbar. Das Fazit bleibt: Mit der heutigen Einigung stünde das Vereinigte Königreich schlechter da als bisher. Das ist ein politisch todgeweihtes Vorhaben.
(SRF 4 News, 12 Uhr)