«In der Branche herrscht Genugtuung», tat die Frau an der Spitze des weltgrössten Rüstungsgiganten, Lockheed Martin, auf einem Podium in Washington kund. Es sei Zeit, wieder zu investieren und neue Systeme zu entwickeln, sagte Marillyn Hewson. Die Jahre davor seien karg gewesen: «Doch jetzt holen wir auf.»
Ein wichtiger Treiber ist die US-Regierung. Ihr Rüstungsetat ist nach wie vor deutlich grösser als jener von China, der Nummer zwei. Man gebe allein für den F-35 Tarnkappen-Kampfjets zig Milliarden Dollar aus, brüstet sich Präsident Donald Trump.
Trump lässt keinen Nato-Gipfel verstreichen, ohne für US-Rüstungsgüter zu werben. Wenn er die Europäer zu höheren Rüstungsausgaben drängt, geht es ihm weniger um mehr Sicherheit für Europa, sondern um mehr europäische Rüstungskäufe in den USA.
Die US-amerikanischen Rüstungshersteller beherrschen nicht nur deswegen den Weltmarkt immer stärker. Sondern auch, weil die Waffensysteme der nächsten Generation immer komplexer werden und die Investitionskosten explodieren, sagt Aude Fleurant, Fachfrau für die Rüstungsbranche beim Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri.
Ein Beispiel: Die Entwicklungskosten für den Nachfolger des europäischen Kampfjets Tornado werden auf achtzig bis hundert Milliarden Euro geschätzt. Die Entwicklung eines einzigen Flugzeugträgers, der USS Gerald Ford, hat rund dreissig Milliarden Dollar verschlungen. Auch ein topmoderner Kampfpanzertyp erfordert Vorabinvestitionen von gegen 100 Milliarden.
Die Preise steigen rapide, sagt Michael Haas, Forscher am ETH-Zentrum für Sicherheitspolitik: «Bei den Systempreisen verzeichnen wir teilweise Zuwächse von fünf bis zehn Prozent pro Jahr.» Selbst wenn ein Land gar nicht mehr Waffen kauft als zuvor, steigen die Ausgaben.
US-Rüstungsgiganten im Hoch
Die Entwicklung eines neuen Waffensystems dauert zwanzig bis dreissig, bei Kriegsschiffen gar vierzig Jahre. «Wer da mithalten will, braucht enorme Mittel und einen sehr langen Atem», sagt die Sipri-Expertin. Deshalb wächst der Marktanteil der fünf US-Riesen Lockheed-Martin, Boeing, Northrop-Grumman, Raytheon und General Dynamics.
Auf Platz sechs der Sipri-Rangliste der grössten Rüstungsfirmen abgerutscht ist Europas Nummer Eins, der britische Konzern BAE Systems. Airbus liegt gleich dahinter. Die Schweizer Ruag hält sich knapp in den Top 100 – auf Platz 95.
China holt auf
Dass sich die Europäer schwertun, gründet darin, dass nach wie vor fast jedes europäische Land sein eigenes Rüstungsprogramm verfolge, erklärt Fleurant. Kooperationen wie jene zwischen Deutschland und Frankreich beim Kampfpanzer oder beim künftigen Luftverteidigungssystem sind Ausnahmen. Nationalismus bleibt angesagt, auch wenn das teuer ist und punkto Kampfkraft ineffizient.
Wollen die europäischen Rüstungsanbieter mithalten, müssen sie enger zusammenspannen und durch Fusionen und Übernahmen weiter wachsen, wie das die US-Konkurrenz tue, ist Fleurant überzeugt. Umso mehr, als der nächste Konkurrent mit Riesenschritten Terrain gewinnt: China.
Staatsfirmen wie China North und China South Industrie oder Avic sind sprunghaft gewachsen, weil Peking seine Rüstungsetats seit Jahren gewaltig hochfährt. Die Wahrscheinlichkeit sei sehr gross, dass bald eine bis zwei chinesische Firmen zu den grössten Fünf gehören und Chinas Waffenschmieden auch auf dem Weltmarkt Boden gewinnen.