- In den Vereinigten Staaten sind die öffentlichen Schulen in vielen Gliedstaaten unterfinanziert. Gleichzeitig streben einflussreiche Kreise nach einer Privatisierung.
- Im Südstaat New Mexiko ist die Situation an Volksschulen besonders prekär – punkto Bildungsniveau schneidet der Staat besorgniserregend schlecht ab.
- Trotzdem spart die Regierung weiter. Ein Besuch in der Vista Middle School in Las Cruces zeigt, wie ausgehungert die Schulen sind.
An diesem strahlenden Wintermorgen erhalten die 13-jährigen Grundschüler Erlebnisunterricht. Die Naturwissenschaftlerin Rink Somerday besucht die Biologie-Klasse. Sie arbeitet für das Asombro-Institut, eine gemeinnützige Organisation für Wissenschaftsbildung.
Rink erzählt den Halbwüchsigen eine tierische Kriminalgeschichte. Im Nationalpark von New Mexiko wird ein Wolf vermisst, Blutspuren werden in einem Lieferwagen gefunden. Mittels DNA-Test sollen die Schüler und Schülerinnen herausfinden, ob es sich um Wolfsblut handelt.
Josh und Rosita hantieren eifrig mit ihrer Pipette herum, an den hintersten Gruppentischen lässt die Aufmerksamkeit schnell nach. Lehrerin Marci Behrens schreitet ein: «Es wird zu viel geschwatzt. Ihr müsst aufhören und zuhören!»
Geplünderte Klassenzimmer
Wissenschaftliche Experimente möchte eigentlich auch die Bio-Lehrerin Behrens durchführen. Aber der Schule fehle das Geld für die nötige Laboratoriums-Ausrüstung, klagt sie: «Ich hätte wahnsinnig gern Pipetten, wie Rink von Asombro-Institut oder genügend Glasplättchen fürs Mikroskop. Uns fehlen auch die dazu nötigen Chemikalien.»
Das Materialzimmer sieht aus wie geplündert. Dem Skelettmodell fehlen die Arme, die Bücher sind veraltet – Ausschussware, nennt sie die Lehrerin: «Das Versiegen der Mittel geschah nach und nach, aber seit drei Jahren macht es sich wirklich bemerkbar, dass wir einfach nicht mehr genug haben.»
Und von den Eltern sei keine Hilfe zu erwarten. Sie würden sich ums Überleben kümmern, sagt Behrens: «Wie bringen wir Essen auf den Tisch, haben wir ein Dach über dem Kopf? Das letzte, was die Eltern interessiert, ist die Schule.» Nicht bei allen sei das so, aber bei vielen.
Privatwirtschaftliche Interessen sehen das Schulsystem als lukrativen Markt.
In New Mexico leben 30 Prozent der Schüler in Armut, 70 Prozent sind Latinos, viele haben eine indigene Herkunft, bestätigt Edward Tabet-Cubero. Er ist Direktor des Zentrums für Recht und Armut in Albuquerque, der Hauptstadt von New Mexico.
Für ihn ist die Bildungskrise in New Mexiko aber vor allem eines: hausgemacht. «Seit 2003 senkt die Regierung von New Mexiko die Steuern für Reiche und Unternehmen – der Haushalt wird geplündert, die Bildung dezimiert.» Regelmässig würde New Mexiko auf dem hintersten Platz in Bildungsstudien landen.
Dem wollte Edward Tabet-Cubero 2014 nicht mehr einfach so zuschauen und klagte gegen den Staat New Mexiko. Die Regierung verletze die Verfassung des Gliedstaates, die diesen zu einer angemessenen Bildung für alle verpflichte, argumentiert er. Ein erstinstanzliches Urteil wird im Januar erwartet.
Schulen als Investitionsobjekt
Die öffentlichen Schulen seien aber nicht nur in New Mexiko in der Krise. Es gehe um eine orchestrierte Attacke in den ganzen USA, sagt Tabet-Cubero: «Privatwirtschaftliche Interessen sehen das Schulsystem als lukrativen Markt.» Es gehe letztlich um den Versuch, das öffentliche Schulsystem zu privatisieren, diesen Eckpfeiler der Demokratie.
Ist der Verdacht des Aktivisten Tabet-Cubero berechtigt? Die Bildungsministerin im Weissen Haus, Betsy DeVos, ist jedenfalls eine überzeugte Vertreterin von Privatschulen – und eine schwerreiche Gönnerin.