- Seit 24 Jahren ist der Zwergstaat Mitglied im EWR.
- Liechtenstein steuert die Zuwanderung trotzdem selbständig.
- Der Lohnschutz funktioniert – mit ein paar Abstrichen.
Ein Besuch im sechstkleinsten Staat der Welt beginnt oft stockend, im Stau auf einer der Rheinbrücken zwischen der Schweiz und dem Fürstentum. Die Kehrseite des Wirtschaftsbooms der letzten Jahre.
Der Liechtensteiner Finanzplatz brummt – obwohl oder vielleicht auch weil Schwarzgeld längst Vergangenheit ist. 20'000 Grenzgänger kommen jeden Tag nach Liechtenstein. Das ist fast die Hälfte aller Erwerbstätigen im kleinen Land.
Beschränkung der Zuwanderung
Die meisten Schweizer, die in Liechtenstein arbeiten, können dort nicht wohnen. Der Fürst hat vor 24 Jahren mit der EU etwas ausgehandelt, was die Schweiz auch gerne hätte: Eine Beschränkung der Zuwanderung. Pro Jahr erhalten nur 72 EU-Bürger mit ihren Familien eine Aufenthaltsbewilligung.
«Die Beschränkung gilt nur für die Wohnsitznahme, nicht für den Zugang zum Arbeitsmarkt» sagt Andrea Entner-Koch, die Leiterin der Stabsstelle EWR. Zusammen mit vier weiteren Juristen kümmert sie sich um die Beziehungen zur EU.
Griffiger Lohnschutz
Auch der Lohnschutz würde trotz EWR ganz gut funktionieren, heisst es bei der Liechtensteinischen Verwaltung. Wie in der Schweiz führt diese Kontrollen nicht der Staat, sondern Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam durch. Europaweit einzigartig.
«Wir haben das von der Schweiz gelernt» sagt Volker Frommelt, Leiter der Paritätischen Kommission in Liechtenstein. Die EU würde diese Kontrollen akzeptieren. Mit dem EWR gab es allerdings ein paar Abstriche beim Lohnschutz.
Die in der Schweiz viel diskutierte 8-Tage-Regel musste man ganz abschaffen. Seither gilt: Null Tage Voranmeldefrist für ausländische Unternehmen. Das sei aber kein Problem, erklärt Frommelt: «Wichtig ist, dass die Leute überhaupt im System erfasst sind.»
Wenige EWR-Kritiker
Doch es gibt auch Liechtensteiner, die von einer schwierigen Beziehung zur EU sprechen. So Ado Vogt, Unternehmer und rechter Oppositionspolitiker. Das Familienunternehmen mit 25 Mitarbeitern geschäftet vor allem mit der Schweiz. Das sei mit dem EWR schwieriger geworden.
«Wir müssen uns in der Schweiz genauso anmelden wie jemand aus Deutschland oder Frankreich», obwohl man ungefähr die gleichen Mindestlöhne habe. Überhaupt findet Vogt: der EWR überfordere das kleine Land. Es müssten immer mehr Verwaltungsstellen wegen neuen Forderungen aus der EU geschaffen werden.
Die Weiterentwicklung des Europäischen Wirtschaftsraums halte ganz schön auf Trab, heisst es auch auf der EWR-Stabsstelle. Ganze 10 Prozent der liechtensteinischen Beamten beschäftigen sich mit dem EWR. 10'000 Gesetzesartikel aus der EU musste das Fürstentum in den letzten 24 Jahren übernehmen.
Zugang zu 500 Millionen Menschen
Konkrete Folgen hatte der EWR für die Liechtensteinische Landesbank, eine Art Kantonalbank: die Staatsgarantie kam wegen des Verbots staatlicher Beihilfen in der EU unter Druck. Diesen Sommer fällt die Garantie nun ganz weg. Auch das ganze Steuersystem musste Liechtenstein der EU vorlegen.
Wenn es mal Differenzen gebe mit der EU, müsse man immer das grosse Ganze sehen, sagt die EWR-Spezialistin Entner-Koch: «Der hindernisfreie Zugang Liechtensteins zu einem Markt mit 500 Millionen Menschen». Ein Grossteil der Bevölkerung steht laut der neusten Umfrage hinter dem EWR: 74 Prozent sehen die EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins als erfolgreiches Modell.