Auf ein bis zwei Millionen Dollar pro Tag sollen sich die Einnahmen aus den Ölfeldern, welche von der Terrorgruppe IS kontrolliert werden, belaufen. Zu den Abnehmern zählen auch Staaten, die dem IS den Kampf angesagt haben. Dabei profitiere der IS von der Notlage, in der sich die Abnehmer befänden, sagt Christoph Reuter. «Sie brauchen Diesel, weil die gesamte Stromversorgung in weiten Teilen Syriens und des Iraks nur noch über Generatoren läuft und für die braucht man Treibstoff.»
Breit abgestützte Finanzierung
Doch diese Einnahmequelle scheint nicht das wichtigste finanzielle Standbein der Terrororganisation zu sein. Mehr als 40 Prozent seiner Einnahmen generiert der IS von den rund 8 Millionen Einwohnern des selbsternannten Kalifats.
«Darunter fallen Steuern sowie zahlreiche Abgaben und Gebühren für verschiedene Geschäftszweige. Auch eine Art Wegzoll bei Gütertransporten wird erhoben, dabei variieren die Gebühren je nach Ladung», erklärt Reuter.
Auch vor der Beschlagnahmung von Besitztümern schreckt der IS nicht zurück. Ebenso etabliert sei der Ablasshandel für Vergehen gegen Regeln des IS, wie beispielsweise das Rauchen. «Doch die Freikaufkarte hat ein Verfalldatum. Wer sich freigekauft hat muss damit rechnen, dass die Gebühr erneut eingetrieben wird.»
Der IS betreibt eine Beuteökonomie.
Hohe Summen erzielt der IS auch aus dem Verkauf geplünderter Antiquitäten und Schätzen des Altertums. US-Vertreter erklärten dem «Wall Street Journal», damit nehme der IS 100 Millionen Dollar im Jahr ein. Mehrere Dutzend Millionen sollen Lösegelderpressungen jährlich einbringen.
Bei der Eroberung der nordirakischen Stadt Mossul soll die Terrormiliz umgerechnet 318 Millionen Euro erbeutet haben, die bei der Zentralbank lagerten. Diese Zahl ist allerdings umstritten.
Neue Eroberungen kaum auszuschliessen
Einnahmen aus dem Energiegeschäft und der Landwirtschaft belaufen sich auf über 660 Millionen Dollar. «Doch diese Erträge aus der Produktion decken die Ausgaben des IS kaum.»
Die Einnahmen aus Steuern, Schutzgeldern und Beschlagnahmungen seien zwar sehr lukrativ aber letztlich nicht nachhaltig, deshalb werde sich der IS früher oder später nach neuen Geldquellen umsehen müssen, meint Reuter. «Für eine Weile funktioniert das Auspressen der Bevölkerung, aber dann muss man neue Gebiete erobern.»
Der Islam spielt keine wichtige Rolle
Dabei könne sich der selbsternannte Kalif Abu Bakr al-Baghdadi längst nicht nur auf radikale Dschihadisten aus über 50 Ländern abstützen, sondern auf eine sehr professionelle Führungsriege, analysiert Reuter. Darunter befänden sich einige Dutzend ehemalige Offiziere aus Saddam Husseins Armee und Geheimdienst – Profis in Sachen Machterweiterung und Geheimdienst, welche mit dem Koran wenig bis nicht gemein haben.
«In den Papieren, die wir für die Kolonisierung Syriens gefunden haben, war nicht eine einzige islamische Referenz. Das waren nüchterne kühle Blaupausen zur Machtergreifung.»